Gyn-Depesche 6/2002

Die Urolithiasis in der Schwangerschaft

Diagnose und Therapie einer Urolithiasis bei Schwangeren unterscheiden sich in vielen Aspekten vom konventionellen Vorgehen bei Harnwegs-Konkrementen. Worauf es dabei ankommt, fassten amerikanische Experten in einer aktuellen Publikation zusammen.

An einer Urolithiasis erkranken bis zu 0,5% aller Schwangeren. Etwa 70 bis 80% der Steine gehen unter konservativer Therapie spontan ab, in den restlichen Fällen sind weitere therapeutische Maßnahmen notwendig. Nierenkoliken sind der häufigste Grund, warum Schwangere wegen Bauchschmerzen stationär eingewiesen werden. Steine finden sich rechts genauso häufig wie links. Uretersteine sind zweimal häufiger als Nierensteine, Blasensteine dagegen selten. Die Symptome stellen sich bei 80 bis 90% der Schwangeren im zweiten oder dritten Trimenon ein. Die Diagnostik einer Urolithiasis während der Schwangerschaft ist schwierig. 90% der Schwangeren haben eine physiologische Hydronephrose in Folge hormoneller oder mechanischer (z. B. Kompression am oberen Beckenrand) Veränderungen. Die häufigsten Symptome einer Urolithiasis sind Flankenschmerzen, Mikro- oder Makrohämaturie (in 75 und 15% der Fälle) und Harnwegsinfekte. Die Differenzialdiagnose umfasst Erkrankungen der verschiedenen Bauchorgane (z. B. Appendizitis) und spezielle Schwangerschaftskomplikationen. Neben einer genauen Anamnese und der körperlichen Untersuchung können in vielen Fällen die Urinanalyse (z. B. Kreatininkonzentration, Hämaturie, mikroskopische Untersuchung, Kulturen) und die Ultraschalluntersuchung erste Hinweise liefern. Sonographisch kann es schwierig sein, die physiologische Ureterdilatation während der Schwangerschaft von einer Ureterobstruktion infolge eines Steines zu unterscheiden. Manche Konkremente lassen sich mittels transvaginaler Sonographie besser erkennen als mit der transabdominalen. Ob die Bestimmung der renalen Durchblutung (z. B. Gefäßwiderstands-Index) sinnvoll ist, wird derzeit untersucht. Studien zufolge ist die Durchblutung der betroffenen Niere bei einer Harntrakt-Obstruktion ab der sechsten bis zur 48. Stunde deutlich erhöht. Auch der sonographische oder dopplersonographische Nachweis des "ureteric jet" (Urineinstrom in die Blase) kann diagnostisch weiterhelfen. Wenn sich sonographisch bei einer symptomatischen Patientin mit Hydronephrose kein Stein nachweisen lässt, müssen eine Nephrographie oder eine MRI-Urographie durchgeführt werden. Das Risiko für eine Fehlgeburt, für Missbildungen oder für eine mentale Retardierung beim Fetus durch Röntgenstrahlen wird von verschiedenen radiologischen Vereinigungen als minimal angesehen, wenn eine einmalige Untersuchung durchgeführt wird und die Strahlendosis nicht über 50 mGy beträgt. Das Risiko für Schäden sinkt, je älter der Fetus ist. Für das MRI sind keine teratogenen Effekte bekannt, und es hat eine sehr hohe diagnostische Aussagekraft. Allerdings ist es teuer und nicht immer verfügbar. Nachdem eine Urolithiasis bestätigt ist, hängt das weitere Vorgehen vom klinischen Verlauf ab. Hat die Patientin eine normale Nierenfunktion und besteht keine Hydronephrose oder Sepsis, ist eine abwartende Therapie mit Bettruhe, Hydratation, Analgesie, Antiemetika und eventuell die Gabe von Antibiotika indiziert. In zwei Dritteln der Fälle gehen die Steine spontan ab. Häufigste gynäkologische Komplikation einer Urolithiasis sind durch die Koliken ausgelöste vorzeitige Wehen. Standard-Tokolyse mit Betamimetika oder die einmalige s.c.- oder i.v.-Gabe von Terbutalin können die Wehen oft stoppen. Gründe für ein aggressiveres therapeutisches Vorgehen sind: - Therapieresistenz der Nierenkoliken - kein spontaner Steinabgang - Urosepsis - Niereninsuffizienz - Obstruktion einer einzelnen Niere Im dritten Trimenon - nahe am Termin - kann die Geburt eingeleitet werden. Zu Beginn des dritten Trimenons wird eine externe Harnableitung (z. B. perkutane Nephrostomie) empfohlen, die endgültige Behandlung erfolgt nach der Entbindung. Im ersten und zweiten Trimenon kann therapeutisch eine sonographisch gesteuerte perkutane Nephrostomie oder die interne Einlage eines Ureter-Stents erfolgen. Die perkutane Nephrostomie hat mehrere Vorteile: Sie kann bei akut kranken oder septischen Patientinnen in Lokalanästhesie durchgeführt werden, der Harnstau wird sofort drainiert, nach Anlegen einer Urinkultur ist eine gezielte Antibiotikatherapie möglich, am obstruierten Ureter wird nicht manipuliert, so dass keine Perforationen oder Infektionsexazerbationen zu befürchten sind. Die perkutane Nephrostomie ist in über 90% der Fälle erfolgreich. Komplikationen sind u. a. die Obstruktion oder Dislokation des Röhrchens, Infektionen oder Blutungen. Die interne Einlage eines Ureter-Stents ist mit verschiedenen Problemen - dazu gehören vor allem Verkrustung, Migration und Infektion - behaftet und wird daher frühestens ab der 22. Schwangerschaftswoche empfohlen. Bei einem solitären Stein von einer Größe unter 1 cm und wenn keine Sepsis besteht, kann eine Ureteroskopie mit Extraktion des Steines durchgeführt werden. Diagnostik und kausale Behandlung erfolgen dabei in einer Sitzung. Kleinkalibrige Ureteroskope haben den endoskopischen Zugang in den letzten Jahren sehr sicher gemacht. Trotzdem sollte dieser Eingriff wegen der Perforationsgefahr und des Sepsisrisikos nur in Zentren mit ausreichender Erfahrung durchgeführt werden. Eine Stoßwellen-Lithotripsie ist während der Schwangerschaft absolut kontraindiziert. In besonderen Fällen kann eine offene Operation nötig werden. Die Behandlung der Urolithiasis bei Schwangeren ist in jedem Fall individuell zu wählen. Nach der Geburt muss eine grundlegende Abklärung der Urolithiasis erfolgen. (UB)

Quelle: Biyani, CS: Urolithiasis in pregnancy. II: management, Zeitschrift: BJU INTERNATIONAL, Ausgabe 89 (2002), Seiten: 819-823: , Zeitschrift: , Ausgabe ()

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