Editorial: Gyn-Depesche 3/2016

Gyn-Depesche 3/2016

Distanziert

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen!

Die WHI-Studie (Women’s Health Initiative) untersuchte die Wirkung der Hormonersatztherapie (HRT, hormone replacement therapy) bei postmenopausalen Frauen. Zahllose Publikationen sind aus den Daten hervorgegangen, oft hat die Gyn- Depesche darüber berichtet.
Eine der Autoren der ersten WHI-Ergebnisse und zugleich Studiensteuerungskomitee-Mitglied, Prof. JoAnn E. Manson, Boston, distanzierte sich nun von den seinerzeit publizierten Ergebnissen – oder vielmehr distanzierte sie sich von der „unangemessenen“ Interpretation der Daten. Daran war sie selbst aber wohl nicht ganz unschuldig. Hintergrund: Nach den WHI-Ergebnissen nahmen Hormon-Verschreibungen zur Linderung postmenopausaler Beschwerden drastisch ab, da Ärzte und Frauen die kardiovaskulären Nebenwirkungen fürchteten. Manson schrieb 2003 im New England Journal of Medicine: „Die Estrogen-Gestagen-Kombination könnte das KHK-Risiko bei gesunden postmenopausalen Frauen erhöhen.“
Im März 2016 beklagte sie nun in selbigem Journal, dass die Ergebnisse von damals von vielen missinterpretiert und fälschlicherweise auf generell alle postmenopausalen Frauen übertragen wurden – insbesondere auch auf jüngere und gesunde zwischen 40 und 50 Jahren. Die WHI-Frauen waren im Durchschnitt 63 Jahre alt und wiesen teilweise erhebliche Komorbiditäten auf: 36% Hypertonus, 13% Hypercholesterinämie, 4,4% Diabetiker, 2,4% mit früherem Myokardinfarkt und 4,4% mit Z. n. KHK, Apoplex oder TIA. Das fand in der Ursprungs-Publikation aber kaum eine Würdigung.
Weshalb Manson, angesehene Forscherin in Harvard, gerade jetzt, 13 Jahre später, die „Fehlinterpretation“ ihrer Daten durch Dritte distanziert moniert, ist mysteriös. Vielmehr hätte sie schon 2003 für Aufklärung sorgen können – aber je übertragbarer die Ergebnisse auf die Allgemeinheit, desto öffentlichkeitswirksamer sind diese wohl.

Ihr

Dr. med. Christian Bruer

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