Postmenopausaler Hormonersatz

Gyn-Depesche 1/2017

Frühe Östrogentherapie schützt Gefäße

Der Effekt der Hormonersatztherapie (HRT) auf kardiovaskuläre Erkrankungen ist abhängig vom richtigen Timing. Ein früher Beginn kann offenbar die Progression der Atherosklerose bremsen, wie eine US-amerikanische Studie belegt.

Kommentar

Die Ergebnisse der ELITE-Studie sind ein Beleg für die sogenannte Timing-Hypothese: Offensichtlich kann sich eine früh in der Postmenopause begonnene Hormontherapie günstig auf die Progression der Atherosklerose auswirken. Bei einem späteren Einsatz gilt das nicht mehr. Biologisch erklären lässt sich dies durch eine nachlassende Reaktionsfähigkeit der Rezeptoren im Gefäßsystem auf Östrogen aufgrund der fehlenden Exposition nach der Menopause. Die klinische Relevanz der Ergebnisse bleibt allerdings fraglich. Denn: Die CIMT-Progression ist nur ein Surrogatparameter. Um einen Einfluss der HRT auf die Inzidenz koronarer Ereignisse nachzuweisen, war die Studie nicht ausreichend dimensioniert. Ob ein Herzinfarkt auftritt oder nicht, hängt zudem nicht nur von der Plaque-Entstehung, sondern von weiteren Faktoren ab – etwa der Plaqueruptur und Thrombosebildung. Letztere könnte eine Östrogentherapie sogar fördern. Die geltenden Empfehlungen zu HRT und kardiovaskulärer Prävention erscheinen also nach wie vor vernünftig.

Keaney JF et al.: Postmenopausal hormone therapy and atherosclerosis – time is of the essence. Ebd. 1279-80
An der kalifornischen ELITE-Studie (Early versus Late Intervention Trial with Estradiol) nahmen 643 gesunde postmenopausale Frauen teil. Bei 271 von ihnen lag die Menopause weniger als sechs Jahre zurück, beim Rest bereits mehr als zehn Jahre. Randomisiert erhielt in beiden Gruppen jeweils etwa die Hälfte der Frauen täglich 1 mg 17-Estradiol oral plus bei intaktem Uterus an zehn Tagen pro Monat 45 mg mikronisiertes Progesteron in Form eines Vaginalgels. Die Vergleichsgruppe bekam Plazebos. Alle sechs Monate wurde per Ultraschall die mittlere Intima-Media-Dicke der Arteria carotis communis (CIMT) bestimmt.
Nach einem Follow-up von im Mittel knapp fünf Jahren war die CIMT in den Studiengruppen unterschiedlich stark gewachsen. Bei den früh menopausalen Frauen nahm sie unter Plazebo um 0,0078 mm jährlich zu, mit Hormontherapie aber nur um 0,0044 mm. War die letzte Periodenblutung zu Studienbeginn dagegen schon mehr als zehn Jahre her, zeigten sich keine signifikanten Unterschiede zwischen der Plazebo- und der HRT-Gruppe. Ein signifikanter Effekt der Östrogentherapie auf den Kalzium-Score der Koronararterien oder den Befund der CT-Koronarangiographie war allerdings auch bei einem frühen Beginn nicht nachweisbar. Schwerwiegende unerwünschte Ereignisse – Mammakarzinome, Myokardinfarkte, tiefe Beinvenenthrombosen und Lungenembolien – traten unter HRT und Plazebo etwa gleich häufig auf.
Dass der Zeitpunkt des Beginns einer Östrogentherapie über einen möglichen kardioprotektiven Effekt entscheidet, wird schon länger vermutet. Mehrere Metaanalysen randomisiert- kontrollierter Studien hatten ergeben, dass die HRT bei jüngeren, früh postmenopausalen Frauen das KHK-Risiko senkt, bei älteren dagegen nicht. In einem gewissen Widerspruch zu den Ergebnissen der ELITE-Studie stehen dagegen die 2012 veröffentlichten KEEPS-Daten (Kronos Early Estrogen Prevention Study): Hier wurde bei einer Niedrigdosistherapie mit 0,45 mg konjugierten Östrogenen oder 50 μg Estradiol transdermal (plus oralem Progesteron) kein signifikanter Einfluss auf die CIMT-Progression festgestellt. Möglicherweise, so die Interpretation der ELITE-Autoren, lag die Östrogendosis für eine nachweisbare Wirkung auf die Gefäßwände hier zu niedrig.
Obwohl in früheren Studien nachgewiesen wurde, dass die sonographisch gemessene CIMT-Zunahme mit der Progression der koronaren Atherosklerose und dem Risiko kardiovaskulärer Ereignisse korreliert, fanden die Autoren jedoch keine signifikanten Unterschiede bei den Ergebnissen der CT-Koronarangiographie. Dies könnte an der geringen Teilnehmerzahl bei dieser Untersuchung und kurzen Nachbeobachtungszeit liegen. Zudem waren keine Baseline-Messungen verfügbar. CW
Quelle:

Hodis HN et al.: Vascular effects of early versus late postmenopausal treatment with estradiol. N Engl J Med 2016; 374: 1221-31

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