Sinn der körperlichen Untersuchung
Keine Evidenz gefunden, aber was nun?
Die Evidenz und damit Sinnhaftigkeit von Vorsorgeuntersuchungen wird immer wieder hinterfragt – so nun auch von der unabhängigen „US-Evidenz-Autorität“ USPSTF in Bezug auf die regelmäßige körperliche gynäkologische Untersuchung (pelvic exam). Man fand keine ausreichende Evidenz, die diese Untersuchung rechtfertigt. Aber Patientinnen gar nicht körperlich zu untersuchen, ist wohl auch keine Lösung ...
Kommentar
Nun liegen also drei unterschiedliche Empfehlungen von drei relevanten meinungsbildenden Gruppen vor: Die ACP (American College of Physicians) lehnt die Beckenuntersuchung bei asymptomatischen Frauen generell und deutlich ab, insbesondere wegen der möglichen Schäden in Form von psychischer Belastung und Folgeeingriffen; die ACOG (American Congress of Obstetricians and Gynecologists) meint zwar auch, dass es an Evidenz fehle, empfiehlt aber dennoch die jährliche Untersuchung bei Frauen über 21 Jahren, basierend auf Expertenmeinungen; und nun noch die USPSTF mit der Feststellung, die Evidenz sei unzureichend, um Nutzen und Risiko abzuwägen. Was also tun? Einige Autoren schlagen vor, die Patientinnen müssten über die drei Standpunkte detailliert aufgeklärt werden, damit ihnen ein „informed consent“ im Rahmen des „shared decision making“ möglich gemacht wird. Nur dann wären Patientinnen in der Lage, für sich die beste Entscheidung zu treffen. Klingt vielleicht gut, ist aber wohl unpraktikabel. Dennoch, es könnte ein gangbarer Weg sein, die körperliche gynäkologische Untersuchung nicht „mit der Gießkanne“ unter die Patientinnen zu bringen, sondern sich tatsächlich patientinnenindividuell und nach Rücksprache mit der Betroffenen dafür oder dagegen zu entscheiden. Der Patientinnenwunsch nach intrauteriner Kontrazeption oder die Patientinnenunsicherheit bezüglich ihrer „anatomischen Normalität“ beispielsweise könnten gute Gründe für eine Untersuchung darstellen. Dennoch, ob die körperliche Untersuchung bei asymptomatischen Frauen nun völlig verbannt gehört, bleibt laut den Autoren unklar.
Sawaya GF: Screening pelvic examinations – The emperor‘s new clothes, now in 3 sizes? Ebd. 467-8; McNicholas C, Peipert JF: Is it time to abandon the routine pelvic examination in asymptomatic nonpregnant women? Ebd. 910-1;
Redaktion Gyn-Depesche
Guirguis-Blake JM et al.: Periodic screening pelvic examination ... JAMA 2017; 317: 954-66