Sectio

Gyn-Depesche 3/2019

An die Folgen denken!

Zertifizierte Fortbildung

Kein Zweifel: Ein Kaiserschnitt kann Leben retten. Immer häufiger wird er aber auch ohne medizinische Indikation durchgeführt. Im Lancet geben Wissenschaftler einen Überblick über die kurz- und langfristigen Konsequenzen für die Gesundheit von Mutter und Kind.

De Sectiorate hat sich von 12,1 % im Jahr 2000 auf 21,1 % 15 Jahre später fast verdoppelt. 6,2 Millionen Kaiserschnitte jährlich sind medizinisch unnötig, schätzt die WHO. Ob eine elektive Sectio die maternale Mortalität erhöht, ist nicht eindeutig belegt. Zwar sprach ein Review in einkommensstarken Ländern für eine steigende Sterblichkeit bei wiederholten Kaiserschnitten im Vergleich zur vaginalen Entbindung – in einer großen chinesischen Querschnittstudie fand sich jedoch kein Zusammenhang. Eine intrapartale Notfall-Sectio ging dagegen in mehreren Studien mit einer höheren Zahl von Todesfällen einher. Auch in Folgeschwangerschaften nach einer Sectio stieg die maternale Mortalität.
 
Es drohen akute Komplikationen
 
Schwere maternale Akutkomplikationen wie Hämorrhagien, Uterusrupturen, Beatmungspflicht, Nierenversagen oder Herzstillstand treten nach einem Kaiserschnitt signifikant häufiger auf. Im Vergleich zur geplanten vaginalen Geburt stieg die Rate in einer Studie aus Kanada auf das Dreifache, in einer niederländischen Studie sogar auf bis das Fünffache.
 
Vor- und Nachteile der Sectio
 
Die Auswirkungen einer Sectio auf die maternale Morbidität sind ebenfalls gut belegt. Im Vergleich zu einer geplanten vaginalen Geburt ist eine elektive Sectio mit einem längeren Krankenhausaufenthalt, einem erhöhten Risiko einer Hysterektomie aufgrund postpartaler Blutungen und einem höheren Risiko eines Herzstillstands assoziiert. Auf der anderen Seite sinkt das Risiko für vaginale Verletzungen, abdominale und perineale Schmerzen bis drei Tage post partum, frühe postpartale Blutungen sowie geburtshilfliche Schocks. Langfristig geht die Sectio auch mit einem geringeren Risiko für Harninkontinenz und Beckenorgansenkung einher. Die Prävalenz von Adhäsionen und Dünndarmobstruktionen ist dagegen umso höher, je mehr Schnittentbindungen bei den Frauen bereits stattfanden.
 
Risiko bei Folgeschwangerschaft
 
Signifikant erhöht ist die Komplikationsrate auch in darauffolgenden Schwangerschaften. Nach einer vorangegangenen Sectio steigt das Risiko einer Uterusruptur, Plazentainvasionsstörung oder schweren postpartalen Hämorrhagie. Besonders hoch ist es, wenn bis zur nächsten Konzeption weniger als sechs Monate vergehen. Eine Weheninduktion, insbesondere mit Prostaglandinen, lässt das Risiko einer Uterusruptur weiter wachsen. In einer niederländischen Studie berechnete sich die Wahrscheinlichkeit einer Hysterektomie aufgrund von Plazentationsstörungen auf 1 : 25.000 ohne Kaiserschnitt, 1 : 500 bei einem vorangegangenen Kaiserschnitt und 1 : 20 bei drei oder mehr früheren Sectiones. Auch die Inzidenz von Blutungen, Transfusionen, Adhäsionen und intraoperativen Verletzungen stieg mit zunehmender Zahl von Kaiserschnitten an. Das Risiko einer Tot- oder Frühgeburt ist ebenfalls höher.
 
Fehlender Geburtsprozess
 
Kinder, die per Kaiserschnitt zur Welt kommen, sind anderen hormonellen, physikalischen, mikrobiologischen und medizinischen Einflüssen ausgesetzt als bei einer vaginalen Geburt. Das kann sich auf die physiologische Entwicklung auswirken. Beschrieben wurden Veränderungen der immunologischen Kompetenz, ein erhöhtes Asthma- und Allergierisiko und ein reduziertes Darm-Mikrobiom. Inwieweit diese Effekte über die frühe Kindheit hinaus bestehen, ist weniger gut untersucht. Studien fanden Assoziationen einer Schnittgeburt mit Adipositas, erhöhtem Blutdruck, Typ-1-Diabetes, Leberfunktionsstörungen, neurologischen Problemen und autoimmunen Darmerkrankungen, nicht aber mit ADHS. Bei einer elektiven Sectio vor der 39. SSW zeigte sich in zwei Studien ein höheres Risiko für respiratorische Komplikationen und Hypoglykämie.
 
Mikrobiom, Mechanik, Epigenetik
 
Eine wichtige Rolle scheint dabei der reduzierte Kontakt mit dem maternalen Mikrobiom bei der Sectio zu spielen. Er beeinflusst die mikrobielle Kolonisation des Darms und der Haut in den ersten Lebenswochen und wirkt sich so auf die Entwicklung des Immunsystems aus. In Studien fanden sich Hinweise, dass dieser Effekt bis ins Erwachsenenalter anhalten kann. Die peripartale Exposition mit Antibiotika leistet ebenfalls ihren Beitrag zu einer veränderten Darmflora.
Zudem ist das Baby bei einer Sectio geringeren mechanischen Kräften und mütterlichen Stresshormonspiegeln ausgesetzt. Dadurch fehlt möglicherweise ein wichtiger Stimulus zur Ausbildung der Hypothalamus-Hypophysen- Achse und zur Reifung des Immunsystems. Einer dritten Hypothese zufolge führen unterschiedliche Entbindungsarten zu unterschiedlichen epigenetischen Modifikationen der Genexpression. Für diese Theorie spricht, dass die Stammzellen bei Kaiserschnitt- Kindern einen höheren Methylierungsgrad aufweisen als nach einer vaginalen Geburt.
 
Was kann man tun?
 
Genauere Erkenntnisse darüber, welche Faktoren bei der Entbindung von Bedeutung für die Entwicklung des Kindes sind, können nach Ansicht der Autoren helfen, bei einem medizinisch notwendigen Kaiserschnitt potenzielle negative Effekt zu minimieren. So kann beispielsweise das Stillen den Aufbau einer gesunden Darmflora fördern. Denkbar wäre zudem ein gezieltes „Animpfen“ des Mikrobioms mit Probiotika oder die Nachahmung des physikalischen Drucks auf das Neugeborene. Für klinische Empfehlungen ist die Datenlage jedoch noch nicht ausreichend. CW


Hinweis: Dieser Artikel ist Teil einer CME-Fortbildung.

Quelle:

Sandall J et al.: Short-term and long-term effects of caesarean section on the health of women and children. Lancet 2018; 392: 1349-57

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