Geschlechter-Unterschiede bei allergischen Erkrankungen

Praxis-Depesche 10/2018

Asthma und der weibliche Zyklus

Zertifizierte Fortbildung
Sexualhormone beeinflussen das Immunsystem und damit auch allergische Reaktionen. Italienische Wissenschaftler fassten nun zusammen, wie sich der Hormonhaushalt auf die Ausprägung von Allergien auswirkt.
Männer und Frauen unterscheiden sich hinsichtlich der Antikörperproduktion, der zellvermittelten Immunreaktionen sowie den CD4+- und T-Helfer-Zellzahlen. Grund dafür sind die Sexualhormone: Testosteron wirkt meist immunsuppressiv, Östrogen kurbelt die Immunreaktion eher an. Bei Frauen scheinen Östrogen und Progesteron allergische Typ-II-Reaktionen zu verstärken und Typ-I-Reaktionen zu bremsen. So fördert Östrogen beispielsweise die Vermehrung von innaten lymphoiden Zellen der Gruppe 2 (ILC2), die eine wesentliche Rolle bei der eosinophilen Atemwegsentzündung bei Asthma pielen. Tierversuche belegen, dass die ILC2-Konzentration im peripheren Gewebe von männlichen Mäusen niedriger ist als bei den Weibchen, was offenbar zu einer geringeren bronchialen Hyperreaktivität beiträgt.
 
Unterschiede klinisch relevant
 
Klinisch machen sich diese Unterschiede in der Asthma-Prävalenz bemerkbar: Während im Kindesalter Jungen etwa 1,5 Mal häufiger betroffen sind als Mädchen, kehrt sich das Verhältnis in der Adoleszenz allmählich um. Zudem ist die bronchiale Hyperreaktivität bei Mädchen nach der Pubertät stärker ausgeprägt. Die Zahl der Hospitalisierungen aufgrund von Asthma zeigt zwei Peaks – einen im Alter von fünf Jahren, der hauptsächlich Jungen betrifft, und einen im Alter von 50 Jahren, vorwiegend bei Frauen.
Rund um den Menstruationsbeginn fällt die Reaktion auf einen Methacholin-Provokationstest besonders heftig aus: In dieser Phase ist die bronchiale Hyperreaktivität mehr als doppelt so stark ausgeprägt, und lebensbedrohliche Anfälle treten gehäuft am ersten Zyklustag auf. Besonders Frauen mit schwerem Asthma berichten oft von einer regelmäßigen Verschlechterung kurz vor Beginn der Monatsblutung, dem sogenannten perimenstruellen Asthma. Orale Kontrazeptiva scheinen einen gewissen Schutz vor Asthma zu bieten. In einer Studie mit 681 29- bis 32-jährigen Frauen zeigte sich, dass das Erkrankungsrisiko pro Jahr der Pilleneinnahme um 7% zurückging.
 
Mit der Menopause kommt das Asthma
 
Am Ende der reproduktiven Phase steigt die Asthmaanfälligkeit wieder. Eine Kohortenstudie mit 2322 Teilnehmerinnen ergab im menopausalen Übergang sowie in der frühen und späten Postmenopause ein zwei- bis dreieinhalbmal so hohes Risiko einer Neuerkrankung wie bei prämenopausalen Frauen. Zudem lässt nach der Menopause die Lungenfunktion ohnehin immer mehr nach: Im menopausalen Übergang sank die forcierte exspiratorische Vitalkapazität (FVC) um 10,2 ml pro Jahr, in der Postmenopause sogar um 12,5 ml. Die Einsekundenkapazität FEV1 ging im gleichen Zeitfenster um 3,8 bzw. 5,2 ml pro Jahr zurück.
Keine klaren Vorhersagen lassen sich dagegen zum Verlauf einer Asthmaerkrankung in der Schwangerschaft machen. Im zweiten und dritten Trimenon scheint das Risiko einer Verschlechterung und notwendigen Medikationsanpassung höher zu sein. Besonders Frauen mit schwerem Asthma leiden während der Gravidität häufiger an Exazerbationen. Drei Monate post partum haben sich die Beschwerden bei drei Viertel der Frauen wieder auf dem gleichen Niveau wie vor der Schwangerschaft eingependelt.
 
Schwangere streng überwachen
 
Wegen der oft unvorhersehbaren Veränderungen in der Schwangerschaft und peripartalen Komplikationen raten die Autoren, die Asthmasymptomatik bei werdenden Müttern besonders engmaschig zu überwachen. Leitlinien empfehlen auch in der Gravidität den kontinuierlichen Einsatz inhalativer Kortikosteroide. Als sicher hat sich hier insbesondere Budesonid erwiesen. Die Prävalenz der allergischen Rhinitis folgt einem ähnlichen Muster wie die des Asthmas: Bei Kindern sind mehr Jungen als Mädchen betroffen, in der Adoleszenz dreht sich das Verhältnis dann um. CW


Hinweis: Dieser Artikel ist Teil einer CME-Fortbildung.

Quelle: Ridolo E et al.: Sex in respiratory and skin allergies. Clinic Rev Allerg Immunol 2018; Epub Jan 6; doi: 10.1007/s12016-017-8661

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