Die Standardkultur, mit welcher der Urin auf Bakterien untersucht wird, ist nur für die Detektion bestimmter bekannter Pathogene wie E. coli konzipiert. Bakterien, die bestimmte Nährstoffe oder anaerobe Bedingungen benötigen, langsam oder nur in geringer Zahl wachsen, werden dabei nicht erfasst. Diese bisher durchs Raster gefallenen Bakterienspezies lassen sich mittels moderner 16S-rRNA-Sequenzierungsverfahren im unteren Harntrakt nachweisen, auch bei Patientinnen ohne Symptome.
Da die sequenzierungsbasierte Bakterienanalyse für den Einsatz im klinischen Alltag noch nicht ausgereift ist, entwickelten Forscher eine erweiterte Version der quantitativen Urinkultur (expanded quantitative urinary culture, EQUC). Verglichen mit dem EQUC zeigte die standardmäßige Urinkultur eine Falsch-negativ-Rate von bis zu 90%. Mit den neuen Verfahren gewonnene Daten zeigen, dass die gesunde Urinflora sich von der bakteriellen Besiedlung bei einem Harninfekt unterscheidet und Frauen mit Drangharninkontinenz gegenüber gesunden Frauen eine höhere bakterielle Diversität im Urin aufweisen.
Die Entdeckung der Harnflora bedeutet auch, dass die bloße Anwesenheit von Bakterien nicht unbedingt mit einer Infektion gleichzusetzen ist. Vielmehr sollte man vermutlich von einer „Dysbiose“ sprechen. Wahrscheinlich wird auch der Begriff der „asymptomatischen Bakteriurie“ zunehmend an Bedeutung verlieren. OH