Was spricht für elektiven Einzelembryo-Transfer (eSET) bei IVF?

Gyn-Depesche 5/2017

Beide Seiten haben gute Argumente

Das Ziel der In-vitro-Fertilisation (IVF) ist die Geburt eines gesunden Kindes, ohne Fehlschläge. Aus Auckland bzw. New York kommen nun allerdings kontroverse Statements zum elektiven Einzelembryo-Transfer (eSET) im Rahmen der IVF.

Laura M. Miller, Fertilitätsmedizinerin aus Auckland, Neuseeland, widerspricht der dogmatischen Feststellung, mit eSET würden die Schwangerschaftsraten bei IVF vermindert. Die Rate lebender Geburten ist mit diesem Vorgehen heutzutage vergleichbar mit der bei einem doppelten Embryotransfer (DET). Es wurde außerdem gezeigt, dass bei Frauen mit guter Prognose, bei denen es mit tiefgefrorenem eSET zu keiner Empfängnis kommt, auch mit tiefgefrorenem DET keine höheren Erfolgsraten zu erreichen sind. Die Human Fertilisation and Embryo Authority (HFEA) des UK postulierte in 2006, dass der „Erfolg“ assistierter Reproduktionstechnologien (ART) als die Erzeugung termingerechter Einlinge mit normalem Geburtsgewicht definiert werden sollte. DET führt zu mehr multiplen Schwangerschaften (in 14%) als SET. Solche sind mit erhöhten Komplikationsraten bei Mutter und Feten verbunden. Die perinatale Mortalität ist bei Zwillingen dreimal höher als bei Einlingen; nach etwa 5% der Schwangerschaften mit Zwillingen verbleiben keine lebenden Säuglinge – eine vermeidbare Tragödie für infertile Paare. Daten aus Australasien sprechen dafür, dass die Prognose für Einlinge nach SET besser ist als für Einlinge nach DET. Frühgeburten und untergewichtige Babys sind seltener. Man registrierte nach der vermehrten Wahl von SET keine Abnahme der Geburten, vielmehr eine Steigerung der Raten von Lebendgeburten. Im Sinne der HFEA-Definition des IVF-Erfolges sollte SET die Norm sein, nicht die Ausnahme. Risiken wirklich erhöht? Norbert Gleicher und Kollegen aus New York stehen auf dem Standpunkt, niedrigere Schwangerschaftsraten seien bei eSET unzweifelhaft seltener als bei Zwei-Embryo- Transfer (2ET). Das einzige Argument zugunsten von eSET sei die Vermeidung von Zwillingsschwangerschaften. Dies zähle aber nur, wenn Zwillingsschwangerschaften bei IVF wirklich mit erhöhten Risiken für Mutter und Kind verbunden wären. Genau das bezweifeln sie aber. Sie argumentieren, die publizierte Literatur enthalte zwei Irrtümer im statistischen Design. Erstens: Risikovergleiche zwischen Einlings- und Mehrlingsschwangerschaften basierten rückblickend auf Schwangerschaften in der Allgemeinbevölkerung mit spontaner Empfängnis. Dies entspricht nicht der Situation einer infertilen Frau, die ärztliche Hilfe sucht. Man legte außerdem unterschiedliche Risikomaßstäbe für ein versus zwei Neugeborene an. Dies ist zumindest für die Beurteilung einer Infertilitätsbehandlung nicht angemessen. Ein korrekter Vergleich müsste zwischen einer Zwillingsschwangerschaft und zwei aufeinander folgenden Einlingsschwangerschaften vorgenommen werden. Zweitens: Die publizierten Risikovergleiche unterstellen, dass die Risiken bei Einlings- bzw. Zwillingsschwangerschaften geich sind, ob spontan empfangen oder per IVF. Das stimmt nicht, so Gleicher. IVF-Zwillinge haben ein um etwa 40% geringeres Risiko eines ungünstigen Verlaufs als spontane Zwillinge. Wenn man die entsprechenden Publikationen um die beiden statistischen Irrtümer bereinigt, findet man kein erhöhtes Risiko für IVF-Zwillinge mehr. Für eSET wird eine verlängerte Embryo- Kultur (bis zum Blastozysten-Stadium, BSET) propagiert, außerdem ein genetisches Präimplantations-Screening. Diese Maßnahmen erhöhen aber das perinatale Risiko für Einlings-IVF-Schwangerschaften. WE

Quelle:

Gleicher N et al.: Elective single-embryo transfer (eSET) reduces pregnancy rates ... FOR: The statistically flawed model of eSET. BJOG 2017; 124, 755; Miller LM: AGAINST: SET maintains live birth rates and provides unique ... BJOG 2017; 124, 756

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