Risiken für die fetale Entwicklung

Gyn-Depesche 4/2021

COVID-19-Therapeutika bei Schwangeren

Viele der Medikamente, die zur Behandlung bei COVID-19 in Frage kommen, sind in der Schwangerschaft wegen des Risikos für eine fetale Schädigung womöglich kontraindiziert. Eine Arbeitsgruppe um Prof. Anick Bérard, Inhaberin des Lehrstuhls für Pharmazie an der Universität Montreal, hat in einer Kohortenstudie die Sicherheitsprofile möglicher COVID-19-Therapeutika in der Schwangerschaft geprüft.
Kommentar
Die Frage um den Einsatz von in der Schwangerschaft kaum geprüften Therapien ist nicht erst seit COVID-19 ein Dilemma. In einem Meinungsbeitrag im American Journal of Obstetrics and Gynecology heißt es dazu, „dass der Nutzen für die Mutter und der Respekt vor der Autonomie der Schwangeren in fast allen Fällen die Ungewissheit überwiegen, die fehlende Sicherheitsdaten mit sich bringen“. In der Konsequenz heißt das: Wenn sich schwangere Frauen für eine neue Intervention entscheiden, sollten sie Zugang zu dieser Therapie erhalten und ihre Entscheidung unterstützt werden.
Schwangere Frauen werden bislang aus klinischen Studien ausgeschlossen, in denen die Wirksamkeit und Sicherheit potenzieller COVID-19-Medikamente untersucht wird. Jedoch handelt es sich in den meisten Fällen um Therapeutika, die in anderen Indikationen bereits gut etabliert sind und dementsprechend Daten zu negativen Folgen für den Nachwuchs bei Einsatz in der Schwangerschaft vorliegen. Für die momentan vielversprechendsten COVID- 19-Therapeutika hat ein Team um Prof. Anick Bérard nun Daten der Quebec Pregnancy Cohort analysiert. Diese enthält Informationen zu allen Schwangerschaften, die von der Arzneimittelversicherung der kanadischen Provinz Quebec zwischen 1998 und 2015 abgedeckt wurden.
Ausgewertet wurden 231.075 Schwangerschaften. Unter Berücksichtigung potenzieller Störfaktoren, einschließlich der Behandlungsindikation, waren Antithrombotika, hauptsächlich Heparine, sowie die Einnahme der HIV-Medikamente Indinavir, Lopinavir/Ritonavir, Raltegravir und Saquinavir während der Schwangerschaft mit einem signifikant höheren Risiko für Frühgeburtlichkeit, einem niedrigen Geburtsgewicht oder einer Mangelgeburt („Small for Gestational Age“) verbunden. Dass die HIV-Therapie mit Indinavir, Lopinavir/Ritonavir, Raltegravir oder Saquinavir ein Gesundheitsrisiko für den Nachwuchs darstellt, war bereits in früheren Untersuchungen beobachtet worden. Gleiches scheint für Chloroquin und Hydroxychloroquin zu gelten, deren Anwendung möglicherweise auch das Risiko für kongenitale Fehlbildungen steigert.
Widersprüchlicher sind die Daten zu Heparinen in der Schwangerschaft, die eigentlich schon lange bei Frauen mit hohem Thromboembolierisiko eingesetzt werden – im Gegensatz zur vorliegenden Untersuchung aus Kanada bislang jedoch ohne Hinweise auf ein gesundheitliches Risiko für den Feten. So fand etwa eine israelische Kohortenstudie von 2017 keinen Zusammenhang von Enoxaparin und dem vermehrten Auftreten fetaler Komplikationen. Allerdings waren in dieser Studie wichtige Störfaktoren wie Gestationsdiabetes oder der Alkohol- und Tabakgebrauch nicht berücksichtigt worden. Andere Studien fanden ebenfalls kein Risiko in der Schwangerschaft, schlossen aber oft nur wenige Probandinnen ein.
Auch Dexamethason, das laut den Ergebnissen der Studie COVID- 19- RECOVERY die Sterberate von nichtschwangeren Personen mit schwerem COVID-19 verringert, war in der vorliegenden Studie bei Anwendung in der Schwangerschaft mit einer signifikant höheren Frühgeburtlichkeit verbunden sowie mit mehr schweren kongenitalen Fehlbildungen. Diese Ergebnisse stimmen mit früheren Untersuchungen überein die zeigten, dass die Einnahme oraler Kortikosteroide das Frühgeburtsrisiko bei schwangeren Frauen mit rheumatoider Arthritis verdoppelt sowie bei Einsatz in der Frühschwangerschaft das Fehlbildungsrisiko erhöht.
Unter dem Makrolidantibiotikum Azithromycin zeigte sich in der Kohortenstudie aus Kanada ebenfalls eine höhere Wahrscheinlichkeit schwerer kongenitaler Fehlbildungen. Nachdem Anfang der Pandemie hohe Hoffnungen in Azithromycin bei COVID-19 gesetzt wurden, wird nach aktueller Datenlage aber ohnehin von dessen Einsatz abgeraten – wegen fehlender Wirksamkeit und dem Risiko von Resistenzbildungen. RG
Quelle: Bérard A et al.: Available m medications used as potential therapeutics for COVID-19: What are the known safety profifiles in pregnancy. PLoS One 2021; 16(5): e0251746
ICD-Codes: U07.1

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