14. Diabetes-Herbsttagung der DDG

Praxis-Depesche 1-2/2021

COVID-19 und Diabetes: Zusammenhänge und Praxisempfehlungen

Den ersten Fall einer Neumanifestation von Typ-1-Diabetes unter COVID-19 beschrieben vergangenes Jahr Prof. Matthias Laudes und sein Team vom Universitätsklinikum Schleswig-Holstein. Auf der Herbsttagung der DDG präsentierte der Diabetologe daraufhin den Stand der Forschung zu Diabetes und COVID-19. Außerdem auf dem Kongress: Die Ernährungsform „Low Carb“ aus medizinischer Sicht.
Früh haben Wissenschaftler erkannt, dass das Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf von COVID-19 mit dem Alter, dem BMI sowie der Zahl der Begleiterkrankungen zunimmt. Eine 2020 im Fachjournal Lancet publizierte Studie aus Deutschland zeigte, dass insbesondere Bluthochdruck und Diabetes Risikofaktoren für eine schwere SARSCoV- 2-Infektion sind. Mögliche Gründe für die erhöhte Anfälligkeit von Diabetespatienten sind die oft leichtgradigen Entzündungen und das dadurch beeinträchtigte Immunsystem, die bei Übergewicht verminderte Lungenventilation aufgrund mechanischer Probleme beim Atmen sowie Blutgerinnungsstörungen, welche durch die bei COVID-19 beschriebenen thrombotischen Veränderungen verstärkt werden könnten.
Der Diabetologe Prof. Matthias Laudes vermutet außerdem einen direkten Zusammenhang zwischen dem Diabetesstoffwechsel und dem Virus selbst. So wisse man, dass akute Hyperglykämien die Expression des membranständigen Enzyms ACE2 erhöhen, das SARS-CoV-2 zum Eintritt in die Zelle nutzt. Umgekehrt könne das Virus an ACE2 auf β-Zellen der Bauchspeicheldrüse binden und dadurch möglicherweise deren Funktion negativ beeinflussen. Dafür sprechen auch einige Fallberichte, die die Neumanifestation eines Typ-1-Diabetes unter COVID-19 schildern. „Allerdings ist ungewiss, ob es sich dabei um Einzelfälle oder ein kollektives Phänomen handelt“, so Laudes. Zur Klärung soll das im vergangenen Jahr gestartete Register COVIDIAB beitragen.
 
Aktuelles für die Praxis
Da ein schlecht eingestellter Diabetes als Hauptrisikofaktor für einen schweren COVID-19-Verlauf gilt, ist eine gute glykämische Einstellung momentan besonders relevant (speziell bei Typ-1-Diabetes!). Bei milde oder moderat verlaufender Infektion kann laut den Empfehlungen der International Diabetes Foundation die Therapie mit oralen Antidiabetika beibehalten werden. Bei schweren Verläufen ist jedoch eine Insulintherapie indiziert. ACE- Inhibitoren können nach aktuellem Stand des Wissens gefahrlos fortgeführt werden.
 
Ernährung: Mehr Qualität statt weniger Kohlenhydrate
Die Diätform „Low Carb“, bei der möglichst wenig Kohlenhydrate verzehrt werden sollen, gilt als Gesund- und Schlankmacher. Prof. Stefan Lorkowski, Leiter des Instituts für Ernährungswissenschaften der Universität Jena, sieht eine kohlenhydratarme Ernährung jedoch kritisch. Grund für die wachsende Beliebtheit der Low-Carb-Diät ist vor allem die Studie PURE von 2017. Diese ergab, dass ein hoher Kohlenhydratanteil von über 60 % der Gesamtenergiezufuhr mit dem höchsten Sterberisiko einhergeht, ein gesteigerter Fettkonsum (> 35 %) dagegen die Gesamtmortalität verringert. Allerdings seien die Studienergebnisse irreführend, so Lorkowski in seinem Vortrag zu den aktuellen Erkenntnissen aus der Ernährungsmedizin. Man wisse mittlerweile, dass es weniger auf die Relation der Makronährstoffe ankommt als vielmehr auf die Qualität der Nahrung – ein Aspekt, der in der PURE-Studie nicht beachtet wurde.
Dass es aus medizinischer Sicht eine untergeordnete Rolle spielt, wie viele Kohlenhydrate oder wie viel Fett gegessen wird, legte eine Beobachtungsstudie nahe, die Anfang 2020 im Fachblatt JAMA Internal Medicine erschienen war. Darin hatte man die Probanden nicht nur nach der Menge der verzehrten Makronährstoffe stratifiziert, sondern außerdem die Art der Nahrungsquelle berücksichtigt, ob also „gesunde“ komplexe Kohlenhydrate wie Vollkorn aufgenommen wurden oder „ungesunde“ Einfachzucker. Ebenso unterschied man ungesättigte Fette, die als gesund gelten, von ungesunden gesättigten Fetten. Hinsichtlich der Gesamtsterblichkeit war es unerheblich, ob sich die Probanden Low Carb oder Low Fat ernährten – einen Einfluss hatte lediglich, ob es sich bei den verzehrten Kohlenhydraten und Fetten um die jeweils gesunde oder ungesunde Variante handelte.
Weder eine kohlenhydrat- noch eine fettarme Ernährung sei also per se vorteilhaft, erklärt Lorkowski. Im Gegenteil: „Bei jeder extremen Form der Ernährung ist das Risiko groß, etwas falsch zu machen – zum Beispiel bei Low Carb zu wenig Vollkorn zu essen, bei Low Fat zu viel raffinierte Stärke oder Zucker.“ RG
ICD-Codes: U07.1

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