Ultraschall in der Spätschwangerschaft

Gyn-Depesche 5/2022

Das Kleinhirn zeigt das fetale Alter

Wie kann man das Gestationsalter möglichst genau bestimmen, wenn die Schwangere im zweiten oder dritten Trimenon erstmalig zur Vorsorgeuntersuchung erscheint? Dieser Frage ging ein systematischer Review auf den Grund.
Insbesondere in Entwicklungsländern sucht ein Großteil der Frauen erst in der zweiten Schwangerschaftshälfte medizinische Hilfe. Selbst in Ländern mit einem weitentwickelten Gesundheitssystem wie England ist das noch bei knapp 6 % aller Schwangerschaften der Fall. Um herauszufinden, welche Methode nach der 20. SSW die höchste Genauigkeit zur Bestimmung des Gestationsalters bietet, suchte ein britisches Wissenschaftsteam in internationalen Datenbanken nach entsprechenden Studien. In ihre systematische Übersicht gingen 97 Veröffentlichungen ein, die Daten von über 100.000 Frauen in 29 Ländern umfassten. Insgesamt kamen darin 25 verschiedene biometrische Parameter und 284 Berechnungsformeln zum Einsatz. In 35 Studien wurde das Gestationsalter nur anhand der letzten Menstruation geschätzt, in 21 in Kombination oder ausschließlich mit der Scheitel-Steiß-Länge (SSL). In 16 Studien verwendete man mehrere Ultraschallparameter. Um die Exaktheit der jeweiligen Methode zu beurteilen, werteten die Review-Autor:innen acht Publikationen mit Vergleichsdaten der SSL aus dem ersten Trimenon aus.
In qualitativ hochwertigen Studien mit einem geringen Bias-Risiko zeigten der transzerebelläre Durchmesser (TCD) und der Kopfumfang (KU) im zweiten und dritten Trimenon die beste Übereinstimmung mit dem „tatsächlichen“, zu Beginn der Schwangerschaft errechneten Gestationsalter. Beide Einzelparameter ermöglichten eine Bestimmung mit einer 95-prozentigen Genauigkeit von ± 9 Tagen, wenn sie in der 20. SSW gemessen wurden. In der 34. SSW schnitt der TCD mit einem Vorhersageintervall von ± 13 Tagen am besten ab. In etwa derselben Größenordnung lagen Berechnungen, die mehrere Parameter enthielten – etwa den biparietalen Durchmesser plus KU, Femurlänge (FL) und Abdomenumfang oder KU plus FL. Wesentlich ungenauer war die Messung des Symphysen-Fundus- Abstands (SFA): Hier erwies sich das Vorhersageintervall als mehr als doppelt so groß.
Wie das Autorenteam betonte, sollte der Fokus weiterhin darauf liegen, Schwangere möglichst früh ärztlich zu betreuen und das Gestationsalter im ersten Trimenon sonografisch zu ermitteln. Dennoch seien einheitliche Standards für spätere Messungen und für eine effektive Überwachung des fetalen Wachstums dringend erforderlich. Als aussagekräftigster Einzelparameter hierfür kristallisierte sich der TCD heraus. CW
Quelle: Self A et al.: Second and third trimester estimation of gestational age using ultrasound or maternal symphysis-fundal height measurements: A systematic review. BJOG 2022; 129: 1447-58

Alle im Rahmen dieses Internet-Angebots veröffentlichten Artikel sind urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, auch Übersetzungen und Zweitveröffentlichungen, vorbehalten. Jegliche Vervielfältigung, Verlinkung oder Weiterverbreitung in jedem Medium als Ganzes oder in Teilen bedarf der schriftlichen Zustimmung des Verlags.

x