Tranylcypromin bei therapieresistenter Depression

Neuro-Depesche 3/2020

Das Therapiespektrum früh ausschöpfen

Angesichts der großen Zahl an Patienten, die auf mehrere Antidepressiva-Therapien nicht oder nicht ausreichend ansprechen, bedarf es wirksamer Alternativen. Mit dem seit 60 Jahren zugelassenen Tranylcypromin (TCP) lassen sich therapieresistente Depressionen nachhaltig bessern. Daher sollte der irreversible und nicht-selektive MAO-A/B-Hemmer nicht als Ultima Ratio, sondern relativ frühzeitig eingesetzt werden, so erfahrene Psychiater auf einem Satellitensymposium von Aristo auf dem DGPPN-Kongress 2019 in Berlin.
Mehr als die Hälfte der depressiven Patienten sprechen beim ersten Therapieversuch auf die herkömmlichen Antidepressiva nicht zufriedenstellend an. „Gerade bei komplizierten Verläufen ist es wichtig, erläuterte Dr. Roland Ricken, Berlin, „sich in Erinnerung zu rufen, dass wir eine große Bandbreite an therapeutischen Möglichkeiten haben, die wir ausschöpfen sollten“.
Die Wirksamkeit von TCP demonstrierte er anhand eines seit zweieinhalb Jahren unter einer schweren, chronifizierten therapieresistenten Depression (TRD) leidenden Patienten mit psychotischen Symptomen. Der Score der Hamilton Depression Scale (HAMD-21) betrug 33 Punkte. Nach verschiedenen nicht oder nur unzureichend bzw. nur kurzzeitig wirksamen Behandlungen begann er eine nun Therapie mit hochdosiertem TCP (mg/d) plus Quetiapin (300 mg/d). Unter diesem Regime remittierten die depressiven Symptome mit einer Abnahme der HAMD-21-Werte auf 3 Punkte nach neun Wochen vollständig. Die Remission hielt auch nach Reduktion der TCP-Dosisreduktion auf 40 mg und Absetzen von Quetiapin langfristig an. Dieser Fall einer TCP-Hochdosistherapie bei TRD zeigt, „dass selbst bei schwerstkranken Patienten mit chronischen Verläufen noch eine Vollremission erzielt werden kann“ sagte Ricken in Berlin.
Die Wirksamkeit von TCP wurde in mehreren klinischen Studien nachgewiesen. So belegt eine umfangreiche Metaanalyse, dass TCP eine – auch im Vergleich mit anderen Antidepressiva – hohe Effektstärke (log Odds-Ratio [logOR] 0,51), so der Experte. 2 In einer zweiten Metaanalyse war TCP auch trizyklischen Antidepressiva (TZA) signifikant überlegen (gepoolte logOR: 0,48).4 Da die Wirksamkeit von TCP bei psychomotorisch gehemmten Patienten besonders hoch, könnte die Psychomotorik „ein vielversprechender Marker für eine differentielle Pharmakotherapie depressiver Erkrankungen sein“, so Ricken.
Weil der Spiegel des – eng mit der MAO-A assoziierte – Östrogen im Wochenbett massiv abfällt, könnte die MAO-Hemmung mit TCP auch bei der häufigen postpartalen Depression (PPD) eine Option sein, schilderte PD Dr. Julia Sacher, Leipzig. In einer Studie an 57 Frauen wurde in der Woche nach der Entbindung ein MAO-A-Anstieg um 40 % beobachtet. Zur Prävention einer PPD sollten daher Situationen gemieden werden, die den MAO-A-Spiegel anheben, schilderte Sacher. „Zusätzlich könnte auch ein möglicher Einsatz eines MAO-Hemmers angedacht werden.“
Das Wirkprinzip der MAO-Hemmung „erklärt die effektive Wirkung bei therapieresistenten Depressionen und könnte auch den möglichen Einsatz eines MAO-Hemmers bei PPD nahelegen“, sagte Adli abschließend. Er plädierte für eine rechtzeitige Strategieänderung „um das Potential der therapeutischen Möglichkeiten auszuschöpfen.“ JL
Quelle: Satellitensymposium: „60 Jahre Tranylcypromin – wirksame Behandlung der therapieresistenten Depression“. DGPPN-Kongress, Berlin, 29. Nov. 2019. 

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