SGA-Schwangerschaften

Gyn-Depesche 5/2020

Die Definition verändert sich

Die nicht erkannte fetale Wachstumsrestriktion stellt den stärksten Risikofaktor für eine Totgeburt dar. Ein geburtshilfliches Ziel ist daher die rechtzeitige Entbindung mangelversorgter Kinder. Dieses Vorgehen hat allerdings Auswirkungen auf die Perzentilen.
Im australischen Bundesstaat Victoria misst sich die Qualität der geburtshilflflichen Versorgung unter anderem daran, wie häufifig es gelingt, Feten mit einem Gewicht unterhalb der dritten Perzentile vor dem errechneten Termin auf die Welt zu holen. Seit die Kliniken die entsprechenden Zahlen veröffffentlichen müssen, werden schwere Wachstumsretardierungen besser erkannt. Allerdings führt diese Strategie dazu, dass viele small-for-gestational-age (SGA)-Schwangerschaften beendet werden, bevor die Feten die dritte Gewichtsperzentile unterschreiten, erläutern die Forscher. Dies könnte ihrer Einschätzung nach auf lange Sicht die Defifinition der schweren Wachstumsrestriktion verändern, da die als Grenzwert herangezogene dritte Geburtsgewichts-Perzentile natürlich vom Gewichtsspektrum der Neugeborenen abhängt. Wie stark sich das geburtshilflfliche Management bei Wachstumsrestriktion auf die Geburtsgewichts- Perzentilen auswirkt, objektivierten die Wissenschaftler nun an einem Kollektiv von mehr als 665.000 Einlingsgeburten der Jahre 1983 bis 2017. Alle Kinder waren im Gestationsalter von mindestens 32 Schwangerschaftswochen (SSW) zur Welt gekommen.
Das Ergebnis: Zwischen 1983/1984 und 2016/2017 nahm die Rate der iatrogenen Entbindungen im Gestationsalter von 34. bis 40. SSW signififikant zu. Im selben Zeitraum stiegen bei den reifen Neugeborenen die zur Defifinition der dritten, fünften und zehnten Gewichtsperzentile herangezogenen Grenzwerte signififikant an. Folglich nahm die Zahl der als SGA klassififizierten reifen Neugeborenen zu. Ein Beispiel: Zwischen 2016 und 2017 kamen 2.748 Kinder zwischen 37. und 39. SSW mit einem Geburtsgewicht unterhalb der dritten Perzentile zur Welt. Auf der Basis der 1983/1984 gültigen Perzentilendefifinition hätten allerdings 1.478 dieser Kinder (53,8 %) ein Geburtsgewicht größer oder gleich der dritten Perzentile gehabt. Die frühzeitige Entbindung wachstumsretardierter Feten bewirkt eine Rechtsverschiebung der Geburtsgewichte am Termin, schlussfolgern die Wissenschaftler. Die Ausrichtung des geburtshilflflichen Managements an den populationsbasierten Perzentilen wird unausweichlich dazu führen, dass mehr und mehr zeitgerecht entwickelte Kinder als SGA gelten und dementsprechend vorzeitig zur Welt gebracht werden. LO
Quelle: Selvaratnam RJ et al.: Increasing obstetric intervention for fetal growth restriction is shifting birthweight centiles: a retrospective cohort study. BJOG 2020; 10.1111/1471-0528.16215

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