Hormonersatztherapie bei Wechseljahresbeschwerden

Gyn-Depesche 5/2022

Die Menopause muss salonfähig werden

Hormone einnehmen und falls ja, welche? – Anlässlich einer Pressekonferenz der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) erläuterte die Gynäkologin und Endokrinologin Dr. Katrin Schaudig den aktuellen Forschungsstand zur Therapie von Wechseljahresbeschwerden und kritisierte die Versorgungssituation in Deutschland.
Obwohl eine Hormonersatztherapie (HRT) Wechseljahresbeschwerden wie Hitzewallungen, Schlafstörungen und depressive Verstimmungen am wirksamsten lindert, nehmen laut Gesundheitsreport der Techniker Krankenkasse 2022 hierzulande immer weniger Betroffene Hormone gegen ihre Beschwerden ein. Entschieden sich im Jahr 2000 noch 37 % der Frauen für eine HRT, stagniert dieser Wert seit 2020 bei etwa 6 %. Woran das liegt und wer nach aktuellem Forschungsstand von einer HRT profitiert, referierte Dr. Katrin Schaudig, Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe mit dem Schwerpunkt gynäkologische Endokrinologie und Präsidentin der Deutschen Menopause Gesellschaft, im Rahmen einer Pressekonferenz der DGE im Vorfeld der 7. Deutschen Hormonwoche.
 
Die Versorgungssituation ist verbesserungswürdig
Die sogenannten Babyboomer haben gerade das mittlere Menopause-Alter von etwa 51/52 Jahren überschritten. Damit befinden sich in Deutschland derzeit mehr Frauen in den Wechseljahren als je zuvor. Während in Großbritannien Protestbewegungen wie die „Menopause Warrior“ eine breite Öffentlichkeit mobilisieren und sogar die Politik durch neue Gesetze die Versorgungssituation von Frauen in den Wechseljahren ins Zentrum rückt, ist das Thema in Deutschland nach wie vor nur bedingt salonfähig. Eine Studie zur Versorgungssituation von klimakterischen Patientinnen in Deutschland zeigte, dass die Aufklärung über das Klimakterium und die zugrunde liegenden physiologischen Vorgänge sowie die Erläuterung klimakterischer Beschwerden erheblich verbesserungswürdig sind.
Die Angst der Frauen vor Einnahme einer HRT erkläre sich vor allem durch die überwiegend negative Berichterstattung in der Folge der 2002 publizierten „Womenʼs Health Initiative Study“, die die Risiken dieser Therapie herausstellte, so Schaudig. Alle errechneten Risiken seien allerdings nach Definition der WHO als „seltene Nebenwirkung“ einzustufen. Zudem wurden in der Studie Frauen untersucht, die im Durchschnitt 63 Jahre alt waren und damit die typische Wechseljahresphase bereits hinter sich hatten. Außerdem wurden Hormonpräparate eingesetzt, die heute überwiegend nicht mehr verwenden würden. „Es hat Jahre gedauert und eine Fülle von Daten gebraucht, bis man zu dem Schluss kam, dass heutzutage für die meisten Frauen die Vorteile einer HRT die Risiken überwiegen“, resümiert Schaudig.
 
Die HRT ist besser als ihr Ruf
Trotzdem ist laut Schaudig ein individuelles Vorgehen bei der Therapieentscheidung wichtig. Dieses berücksichtige sowohl den individuellen Leidensdruck der Patientin, ihre Bedürfnisse und, besonders wichtig, ihre Risikofaktoren. Ausschlussfaktor könne etwa eine vorangegangene Brustkrebserkrankung sein, da eine HRT das Risiko für ein Wiederauftreten des Mammakarzinoms erhöhen könne. Komme eine HRT nicht infrage, stünden viele weitere nicht-hormonelle Therapieansätze zur Verfügung. Dazu gehörten etwa Antidepressiva, Phytoöstrogene, Johanniskraut- und Traubensilberkerze-( Cimicifuga)-Präparate, Sport, Akupunktur, kognitive Verhaltenstherapie oder Hypnose.
 
Der Beratungsaufwand wird nicht angemessen honoriert
„Für diese Beratung und die Abwägung aller Vor- und Nachteile der Therapieentscheidung brauchen wir jedoch viel Zeit“, so die Gynäkologin. Daher müsse sich auch bei der Honorierung der Beratung etwas ändern – diese sei derzeit praktisch nicht existent, kritisiert Schaudig. Primärer Ansprechpartner für die Patientin sei in Deutschland die Gynäkologin oder der Gynäkologe. Die Endokrinologie und damit auch das Thema Menopause komme aber in der Facharztweiterbildung der Frauenheilkunde zu kurz beziehungsweise finde nicht statt, da es sich primär um ein ambulantes Thema handelt, die Facharztausbildung aber überwiegend im klinischen Setting erfolge. An dieser Stelle müssten die Ausbildungscurricula dringend angepasst werden, fordert Schaudig.
 
Weniger Nebenwirkungen durch „bioidentische Hormone“?
Ein vermeintlicher Weg, um die möglichen Nebenwirkungen einer HRT zu vermeiden, sei der Einsatz „bioidentischer Hormone“, die angeblich völlig risikolos seien. Insbesondere werde dies für den Einsatz „individuell“ rezeptierter Hormonpräparate suggeriert, deren Kosten häufig von den Patientinnen selbst getragen werden müssten. Hier stellt Schaudig klar: Grundsätzlich gelten auch bei Anwendung bioidentischer Hormone die bekannten Risiken und Nebenwirkungen. In diesem Zusammenhang sei wichtig zu wissen, dass es auch mit industriell hergestellten Produkten möglich sei, quasi bioidentisch zu therapieren. Diese Produkte unterlägen aber wesentlich strengeren, gesetzlich geforderten Qualitätskontrollen und seien in aller Regel den Individualrezepturen vorzuziehen.
Derzeit befinden sich in Deutschland mehr Frauen in den Wechseljahren als je zuvor, der Beratungsbedarf ist riesig“, so DGEMediensprecher Prof. Stephan Petersenn, ENDOC Praxis für Endokrinologie und Andrologie in Hamburg, abschließend. „Alle beteiligten Disziplinen sollten die aktuelle Datenlage und ihre Erfahrungen überprüfen, um die Behandlungsmöglichkeiten individualisiert und ergebnisoffen mit den Patientinnen zu besprechen.“ AZ
Quelle: Pressekonferenz: der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie e. V. (DGE) im Vorfeld der 7. Deutschen Hormonwoche, 20. September 2022

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