Säuglingsnahrung

Gyn-Depesche 4/2017

Doch kein Allergieschutz durch HA-Milch?

Für allergiegefährdete Säuglinge, die nicht gestillt werden, empfehlen die geltenden Leitlinien den Einsatz von Hydrolysatnahrung. Die Ergebnisse einer Metaanalyse stellen infrage, ob das gerechtfertigt ist.

Kommentar

Zwar erkennen viele Experten durchaus den Evidenzmangel hinsichtlich der Effektivität von hydrolysierter Säuglingsmilch in der Allergieprävention. Dennoch empfehlen sie diese Formula-Nahrungen nach wie vor – in der Hoffnung, dass sie möglicherweise Allergien verhindern könnten und es unwahrscheinlich ist, dass sie Schaden anrichten. Die Fürsprache für eine bestimmte Säuglingsnahrung kann aber die Bereitschaft zu stillen unterminieren. Auch das Bestreben der Hersteller, ihre Produkte zu verbessern, wird dadurch nicht gefördert. Notwendig sind stattdessen weitere qualitativ hochwertige, unabhängige und transparente Studien, um nachzuweisen, ob und wenn ja welche Säuglingsnahrung tatsächlich das Allergierisiko senken kann.

Lodge CJ et al.: Do hydrolysed infant formulas reduce the risk of allergic disease? Ebd. i1143
In internationalen medizinischen Datenbanken fanden sich 37 prospektive Interventionsstudien, in denen hydrolysierte Säuglingsnahrung auf Kuhmilchbasis (HA-Nahrung) mit anderen Ersatznahrungen oder humaner Muttermilch im Hinblick auf das Allergierisiko verglichen wurde. Insgesamt gingen die Daten von 19 000 Teilnehmern ein.
In der Metaanalyse fand sich keine konsistente Evidenz dafür, dass teilweise oder extensiv hydrolysierte Säuglingsnahrung das Risiko von allergischen oder autoimmunen Erkrankungen bei Kindern mit einer entsprechenden genetischen Vorbelastung senkt. Das Risiko für das Auftreten von Ekzemen im Alter von null bis vier Jahren lag bei HA-Nahrung im Vergleich zu einer standardisierten Kuhmilchzubereitung um nicht signifikante 14% geringer. Auch für extensiv hydrolysierte Säuglingsnahrungen auf Kaseinoder Molkebasis ergab sich kein signifikanter protektiver Effekt. Ähnlich sah es bei Lebensmittelallergien, der allergischen Rhinitis, Atemgeräuschen („wheeze“), einer allergischen Sensibilisierung im Prick-Test und der Entwicklung von Typ-1-Diabetes aus. Zudem wiesen die Autoren der Metaanalyse darauf hin, dass bei den eingeschlossenen Studien mögliche Interessenskonflikte der Verfasser nicht auszuschließen seien, und in vielen Fällen ein hohes oder unklares Bias-Risiko bestehe. Die Datenlage spreche daher für eine Revision der gegenwärtigen internationalen Leitlinien, in denen auf breiter Basis hydrolysierter Muttermilchersatz für nicht gestillte Säuglinge mit einem erhöhten Allergierisiko empfohlen wird. CW
Quelle:

Boyle RJ et al.: Hydrolysed formula and risk of allergic or autoimmune disease: systematic review and meta-analysis. BMJ 2016; 352: i974

ICD-Codes: L27.2

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