Junge Medizinerin im Kittel blickt im Labor durch ein Mikroskop.

Junge Forschende

Gyn-Depesche 1/2022

Eine bedrohte Art

Ausgerechnet jener medizinischen Disziplin, die sich um die gesunde Entwicklung des Nachwuchses im Mutterleib kümmert, fehlt es selbst an Nachwuchs: Immer weniger junge Gynäkologen und Geburtshelfer entscheiden sich für eine Karriere in der Forschung.
Die Zahl der sogenannten Clinician Scientists, also jener Mediziner, die im Rahmen ihrer Facharztausbildung einen Schwerpunkt auf die klinische Forschung legen, ist in den USA in keiner Fachrichtung so niedrig wie in der Gynäkologie und Geburtshilfe. Auch erhält nach Informationen des National Institute of Health keine Fachrichtung weniger Fördergelder.
Dabei sei es gerade die Gynäkologie und Geburtshilfe, die weitere Forschung dringend nötig hätte, heißt es in einem Sonderreport des American Journal of Obstetrics & Gynecology (AJOG): Immer noch ist jedes zehnte Kind ein Frühchen, jede 25. Schwangere ist von Präeklampsie betroffen und die weltweite Müttersterblichkeit ist auf einem konstant hohen Niveau.
Eines der vorrangigen Probleme in der wissenschaftlich-klinischen Ausbildung ist – neben strukturellen Barrieren und dem häufig unzureichenden Mentoring – dass die Einhaltung der „geschützten Forschungszeit“ oft nicht gelingt, da die Patientenarbeit Vorrang hat. So ist es vielerorts etabliert, dass die jungen Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen an Forschungstagen bei Bedarf für Kliniktätigkeiten zur Verfügung stehen. Um ein rein amerikanisches Problem handelt es sich dabei nicht: Die Hälfte der Teilnehmenden des Clinician Scientist-Programms der Charité Berlin gab in einer Umfrage an, dass es ihnen nur teilweise oder in Ausnahmefällen gar nicht gelänge, die geschützten Forschungszeiten einzuhalten. Häufigster Grund war auch hier die Priorisierung der Patientenversorgung (einzusehen unter dzhw.eu).
Neben den kurzfristigen Dringlichkeiten der Klinikarbeit sei es jedoch wichtig, sich den oft erst auf lange Sicht erkennbaren Wert der Forschung immer wieder ins Gedächtnis zu rufen, warnen die Autoren im AJOG. RG
Quelle: Parchem JG et al.: More than grit: growing and sustaining physician-scientists in obstetrics and gynecology. Am J Obstet Gynecol 2022; 226(1) : 1-11
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