Endometriose

Gyn-Depesche 1/2021

Erst Abstandsmessung, dann OP?

Der anogenitale Abstand gilt als Marker für eine Exposition mit endokrinen Disruptoren. Das könnte auch bei der Entwicklung einer Endometriose eine Rolle spielen.
In einer Pariser Universitätsklinik verglich man den anogenitalen Abstand (AGD) bei 98 Patientinnen mit und 70 ohne chirurgisch-histologisch diagnostizierter Endometriose. Gemessen wurde dabei einmal die Strecke von der posterioren Fourchette zum Anus (AF) und einmal von der Klitoris zum Anus (AC), jeweils vor einer Bauchoperation aus beliebiger Indikation.
Bei den Frauen mit Endometriose betrug der AF-Abstand im Mittel 21,5 mm und der AC-Abstand 83,8 mm. Signifikant längere Messstrecken fanden sich mit 32,3 mm und 100,9 mm in der Vergleichsgruppe ohne Endometriose (siehe Grafik). Anhand der AUC (area under the curve) als Maß für die Zuverlässigkeit des Tests erwies sich die AF-Distanz als besserer Prädiktor (0,84 vs. 0,76). Die stärkste Korrelation zwischen dem AF-Abstand und dem Vorliegen einer Endometriose ergab sich bei einem Cut-off-Wert von 20 mm: Eine kürzere anogenitale Distanz sagte mit einer Spezifität von 98,6 % und einer Sensitivität von 30,6 % einen anschließenden histologischen Nachweis voraus. Der positive prädiktive Wert betrug 0,969. Ein Zusammenhang mit der Schwere der Erkrankung oder der Lokalisation der Läsionen zeigte sich jedoch nicht.
Ein kurzer anogenitaler Abstand gilt als Hinweis auf eine frühe intrauterine Exposition mit endokrinen Disruptoren. Solche hormonähnlich wirkenden Chemikalien spielen mutmaßlich auch in der Pathogenese der Endometriose eine Rolle. Eine Assoziation zwischen deren Prävalenz und dem Kontakt zu organischen Chlorverbindungen – etwa Dioxin oder polychlorierten Biphenylen – bestätigte eine aktuelle Metaanalyse.
 

 

Auch die Ergebnisse der französischen prospektiven Kohortenstudie sprechen für einen solchen Zusammenhang. Die Messung des anogenitalen Abstands könnte nach Ansicht der Autoren als einfacher, nicht invasiver und vom Erkrankungsstadium unabhängiger Marker für eine Endometriose genutzt werden – beispielsweise im Sinne einer Triage für ein weiteres diagnostisches Vorgehen. Dies könnte sich künftig insbesondere bei adoleszenten Patientinnen als hilfreich erweisen, die in der Studie allerdings ausgeschlossen waren. Ob sich mithilfe des Tests auch eine isolierte Adenomyose von einer Endometriose unterscheiden lässt, wie die Studienergebnisse andeuten, muss ebenfalls noch anhand von größeren Fallzahlen bestätigt werden. CW
Quelle: Crestani A et al.: Anogenital distance in adult women is a strong marker of endometriosis: results of a prospective study with laparoscopic and histological findings. Hum Reprod Open 2020; doi: 10.1093/hropen/hoaa023

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