Männer versterben im Zuge einer COVID- 19-Erkrankung häufiger und müssen öfter intensivmedizinisch betreut werden. Was das Fortbestehen von Beschwerden nach der Infektion anbelangt („Long-COVID“), hat sich hingegen das weibliche Geschlecht als Risikofaktor herausgestellt. In einer letztes Jahr in der Schweiz durchgeführten Telefonbefragung mit über 2.000 Personen, die im Median 43 Jahren alt waren, berichteten 43 % der Frauen nach einer Infektion über anhaltende Symptome. Bei Männern waren es 31,5 %. Zu einem ähnlichen Ergebnis kam nun auch eine prospektive Studie mit 89 Frauen und 134 Männern, die nach einer COVID- 19-Diagnose aus der Station oder der Ambulanz entlassen worden waren und zu einer Nachuntersuchung ins Universitätskrankenhaus Parma, Italien, gebeten wurden. Das mediane Alter war mit 59 Jahren höher als das des Schweizer Studienkollektivs.
Etwa fünf Monate nach der Infektion war der Großteil der Studienteilnehmenden mit durchschnittlich einem bleibenden Symptom nicht beschwerdefrei. Viele der Symptome waren bei Frauen signifikant häufiger als bei Männern: Dyspnoe (79 % vs. 63 %), Fatigue (75 % vs. 39 %), Brustschmerzen (43 % vs. 19 %), Palpitationen (46 % vs. 22 %) und Schlafstörungen (60 % vs. 37 %). Mit Ausnahme der Schlafstörungen konnte für alle genannten Symptome in der multivariaten Analyse eine Abhängigkeit vom Geschlecht bestätigt werden. Die Forschenden stellten eine inverse Korrelation zwischen dem Lebensalter und der Zahl der Langzeitsymptome fest – je jünger also die Patienten, umso häufiger berichteten sie über anhaltende Beschwerden (was auch daran liegen könnte, dass der Alterungsprozess unmerklich die autonome Funktion und die Wahrnehmung beeinträchtigt).
Eine eindeutige Erklärung, weshalb das Risiko für Long-COVID-Symptome bei Frauen erhöht ist, gibt es bisher nicht. Es liegen jedoch Berichte aus verschiedenen medizinischen Fachrichtungen vor, dass Frauen körperliche Schmerzen häufiger und intensiver erleben. Mögliche Gründe sind angeborene und hormonell bedingte Unterschiede in der Wahrnehmung somatischer und viszeraler Schmerzen. Auch Geschlechterstereotype können die Schmerztoleranz beeinflussen – oder schlicht dazu führen, dass Frauen eher bereit sind, Beschwerden im ärztlichen Gespräch offenzulegen. RG