Uterus- und Eierstockentfernung

Gyn-Depesche 5/2022

Häufigere Hysterektomien und Ovarektomien nach Kindheitstraumata

Frauen, die in ihrer Kindheit belastenden Lebensumständen ausgesetzt waren, unterziehen sich überproportional häufig einer Uterus- oder einer Eierstockentfernung. Zu diesem Ergebnis kommen Forschende aus Großbritannien nach Auswertung von Studiendaten.
Belastende Kindheitserfahrungen wie Missbrauch, Vernachlässigung oder zerrüttete Familienverhältnisse beeinträchtigen nachweislich die langfristige Gesundheit der Betroffenen. Wissenschaftler:innen vom University College London gingen nun der Frage nach, ob sie auch für eine Hysterektomie oder bilaterale Ovarektomie prädisponieren. Etwa 90 % der Hysterektomien erfolgen aufgrund einer Symptomatik wie Blutungsstörungen oder Unterbauchschmerzen bei benignen gynäkologischen Erkrankungen (z. B. Myome, Endometriose), erläutern die Forschenden. Nicht selten werden im Rahmen des Eingriffs auch die Ovarien entfernt, obwohl hier eigentlich gar keine Pathologie vorliegt. Sie analysierten die Daten von mehr als 2.600 Frauen, die im Rahmen der Teilnahme an der ELSA-Studie (English Longitudinal Study of Ageing) im Alter von mindestens 55 Jahren unter anderem Angaben zu belastenden Kindheitserfahrungen im Alter unter 16 Jahren (z. B. Unterbringung in einem Kinderheim oder bei Pflegeeltern, körperliche oder sexuelle Gewalterfahrung, Substanzabhängigkeit oder psychische Erkrankungen der Eltern) befragt worden waren. Anhand dieser Angaben berechneten die Forschenden für jede Frau einen Summen-Score, der das Ausmaß der Kindheitsbelastungen in Form von Punktwerten (0, 1, 2 bzw. ≥ 3) abbildete. Zusätzlich waren alle Frauen gefragt worden, ob und in welchem Alter sie sich einer Hysterektomie bzw. bilateralen Ovarektomie unterzogen hatten.
Das Hysterektomie- und Ovarektomie- Risiko nahm mit der Anzahl der belastenden Kindheitserfahrungen zu. Bei Berücksichtigung potenzieller Störvariablen zeigte sich: Frauen mit einem Summen-Score ≥ 3 hatten sich im Vergleich zu Frauen mit unbelasteter Kindheit doppelt so häufig einer Uterusentfernung unterzogen. Ihre Wahrscheinlichkeit für eine bilaterale Ovarektomie lag sogar um den Faktor 2,6 höher. Der Ausschluss von Krebspatientinnen von der Analyse verstärkte diesen Zusammenhang weiter – insbesondere im Kollektiv der Frauen mit einer Hysterektomie vor dem 40. Geburtstag sowie im Kollektiv der Frauen mit einer bilateralen Ovarektomie vor dem 45. Geburtstag.
Ihre Beobachtungen erklären sich die Forschenden folgendermaßen: Eine traumatische Kindheit, so ihre Vermutung, verursacht chronischen Stress, der sich wiederum negativ auf das Hormon- und Immunsystem der Frauen auswirkt und letztlich das Risiko für eine Uterus- und/oder Ovarentfernung erhöht. Auch psychische Beeinträchtigungen spielen hierbei möglicherweise eine Rolle, meinen sie. LO
Quelle: Demakakos P et al.: Adverse childhood experiences are associated with increased risk of hysterectomy and bilateral oophorectomy: A national retrospective cohort study of women in England. BJOG 2022; 129(9): 1481-1489. doi: 10.1111/1471-0528.17088

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