Das Risiko einer HIV-Transmission durch Geschlechtsverkehr hängt zum einen von der Art des Sexualkontakts ab: Bei Fellatio liegt es für beide Partner nahe Null, bei Analverkehr auf Seiten des „Empfängers“ dagegen bei deutlich über einem Prozent. Schleimhautverletzungen, andere sexuell übertragbare Infektionen und Menstruationsblutungen erhöhen das Übertragungsrisiko; Zirkumzision beim Mann und ausbleibende Ejakulation reduzieren es. Liegt die Viruslast des HIV-infizierten Partners unter antiretroviraler Therapie unter 200 Kopien, ist die Ansteckungswahrscheinlichkeit auch bei ungeschütztem Verkehr zwischen Männern äußerst gering, wie die PARTNER-Studie ergab. Dennoch empfehlen europäische Leitlinien eine Postexpositionsprophylaxe innerhalb von 48 Stunden auch bei einer geringen Viruslast des HIV-positiven Sexualpartners – und zwar nach ungeschütztem analen oder vaginalen Geschlechtsverkehr sowie Fellatio mit Ejakulation. Ist es nicht möglich, den HIV-Status zu bestimmen, so kann das Risiko nur geschätzt werden.
Als Goldstandard der Postexpositionsprophylaxe wird heute die Tripletherapie über 28 Tage angesehen. Die Fixkombination von Tenofovir und Emtricitabin hat sich hinsichtlich des Nebenwirkungsprofils und der Evidenz aus Tierversuchen als Reverse-Transkriptase-Komponente der ersten Wahl etabliert. Als Protease-Inhibitor wird häufig Lopinavir/Ritonavir eingesetzt. Alternativ bietet sich die Kombination von Ritonavir mit Atazanavir oder Darunavir an. Durch eine bessere Verträglichkeit und weniger Arzneimittelwechselwirkungen zeichnet sich der Integrase- Inhibitor Raltegravir aus. Wie eine neuere Studie belegt, kann die Postexpositionsprophylaxe mit zwei Komponenten ebenso effektiv sein wie das Standard-Triple. CW