Gynäkologin erklärt Patientin den weiblichen Zyklus

Empfängnisverhütung

Gyn-Depesche 6/2022

Kontrazeption: Frauen mit kardiovaskulären Erkrankungen richtig beraten

Eine eingehende Beratung zur Empfängnisverhütung sollte Teil der Versorgungsroutine bei Patentinnen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen sein. Dieser Beitrag zeigt, welche Aspekte bei der Beratung berücksichtigt werden sollten.
In den USA leiden immer mehr Frauen im gebärfähigen Alter an einer angeborenen oder erworbenen Herz-Kreislauf-Erkrankung (CVD). Bei Frauen im Alter von 20 bis 29 Jahren wird die Prävalenz von Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie koronare Herzkrankheit, Herzinsuffizienz, Schlaganfall und Bluthochdruck auf 11,5 % geschätzt. Die Gründe hierfür liegen unter anderem in zunehmenden Raten an kardiovaskulären Risikofaktoren bei jungen Frauen wie Übergewicht, Bluthochdruck und Diabetes. Frauen mit kardiovaskulären Risikofaktoren benötigen häufig ACE-Hemmer oder Warfarin, die für den Fötus potenziell teratogen sind. Außerdem kann es bei Frauen, die wegen ihrer Herz-Kreislauf-Erkrankungen eine Antikoagulation oder Thrombozytenaggregationshemmer benötigen, zu erheblicher Menorrhagie und symptomatischer Anämie kommen.
Viele Frauen mit CVD oder CV-Risikofaktoren haben außerdem ein erhöhtes Risiko für CV-Komplikationen während der Schwangerschaft und geburtshilfliche Komplikationen wie Präeklampsie, Thromboembolie und vaskuläre Dissektion. Bei einigen Frauen, einschließlich derer mit signifikanter Kardiomyopathie oder pulmonaler arterieller Hypertonie, stellt eine Schwangerschaft ein lebensbedrohliches Risiko dar. Die Beratung zur Empfängnisverhütung ist daher ein wesentlicher Bestandteil der routinemäßigen CV-Versorgung von Frauen. Die Bereitstellung einer sicheren und wirksamen Verhütung ermöglicht eine Schwangerschaftsplanung, die das Risiko von unerwünschten kardiovaskulären Ereignissen reduziert und das fötale Ergebnis optimiert. Bei der Wahl eines Kontrazeptivums für Frauen mit CVD sollten die CV-Risiken und Vorteile der Methode, die relative Bedeutung der Vermeidung einer Schwangerschaft unter Berücksichtigung der zugrunde liegenden Herz-Kreislauf-Erkrankungen der Patientin und die persönlichen Präferenzen der Patientin abgewogen werden.
 
Sicherheitsprobleme mit hormonellen Verhütungsmitteln
Kombinierte hormonelle Kontrazeptiva (KHKs) enthalten sowohl ein Östrogen (in der Regel Ethinylestradiol) als auch ein Gestagen; die Kombinationspille ist die häufigste Formulierung und wird Schätzungen zufolge von etwa 21,9 % der Frauen in den USA eingesetzt. Östrogene sind prothrombotisch durch die erhöhte hepatische Produktion von Gerinnungsfaktoren und das daraus resultierende Risiko für Thromboembolien. Bei gesunden Frauen ohne bekannte prothrombotische Erkrankungen ist die Einnahme von oralen KHKs mit einem erhöhten Risiko für venöse Thromboembolien verbunden (von 2 bis 10 pro 100.000 auf 7 bis 10 pro 100.000). Obwohl orale KHKs häufig verschrieben werden, sind sie oft keine optimale Verhütungsmethode für Frauen mit CVD. Östrogenhaltige Methoden wie die KHK-Pille, das Pflaster oder der Ring sollten bei Frauen mit erworbenen oder angeborenen CVD generell vermieden werden, da diese ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer schweren thromboembolischen Erkrankung darstellen.
KHKs können auch einen leichten Anstieg des Blutdrucks verursachen und werden nicht empfohlen für Patientinnen mit unkontrolliertem Bluthochdruck (> 160 pro 100 mm Hg). Östrogenhaltige Kontrazeptiva sind bei Patientinnen mit einem Blutdruck von 140 bis 159 über 90 bis 99 mm Hg relativ kontraindiziert und sollte nur verwendet werden, wenn keine rein gestagenhaltige oder nicht-hormonelle Verhütungsmethode geeignet oder für die Patientin akzeptabel ist. Zusätzlich zu diesen potenziellen Nebenwirkungen von Östrogenen wird die jährliche typische Versagerquote bei der Anwendung von KHKs auf 4 bis 7 ungewollte Schwangerschaften pro 100 Anwenderinnen geschätzt.
Es gibt eine Reihe von Verhütungsmethoden, die nur Gestagene enthalten, darunter reine Gestagenpillen, Injektionspräparate, subdermale Implantate und Intrauterinpessare (IUPs). Im Gegensatz zu KHKs verändern die reinen Gestagenpillen den Blutdruck, den Cholesterinspiegel und die Gerinnungsfaktoren nicht wesentlich. Neuere Studien mit entsprechenden Kontrollen haben gezeigt, dass Gestagene nicht mit einem erhöhten Thromboserisiko verbunden und im Allgemeinen sicher sind im Vergleich zum Risiko einer Schwangerschaft.
 
Risiko für kardiovaskuläre Komplikationen berücksichtigen
Der erste Schritt bei der Wahl einer optimalen Verhütungsmethode ist die Berücksichtigung des Risikos der Patientin für kardiovaskuläre Komplikationen bei einer Schwangerschaft. Patientinnen, die ein außergewöhnlich hohes (modifiziertes WHO-Risiko IV) oder hohes (modifiziertes WHO-Risiko III) Risiko für CV-Komplikationen während der Schwangerschaft haben oder die potenziell teratogene Medikamente benötigen, die ihren Fötus gefährden können (wie ACE-Inhibitoren, Warfarin, Endothelinrezeptorblocker, Amiodaron), sollten lang wirkende reversible Verhütungsmittel (Spirale oder subdermales Implantat) oder eine dauerhafte Sterilisation in Betracht ziehen. Diese Methoden sind hochwirksam, mit jährlichen Versagensraten von weniger als 1 ungewollte Schwangerschaft pro 100 Anwenderinnen.
 
Kontraindikationen klären
Bei der Wahl einer Verhütungsmethode sollte man im zweiten Schritt prüfen, ob relative oder absolute Kontraindikationen für die KHK-Methoden vorliegen. Frauen mit bestimmten angeborenen Herzfehlern, einschließlich potenzieller Rechts-Links-Shunts, Zyanosen oder Palliationen eines einzelnen Ventrikels, sollten wegen des Risikos schwerer Thromboembolien generell auf KHK verzichten. Erworbene Erkrankungen wie akute oder schwere Kardiomyopathie, pulmonale Hypertonie, Vorhofflimmern, tiefe Venenthrombose, Lungenembolie, ischämische Herzkrankheit und mechanische Herzklappen stellen ebenfalls ein erhöhtes Risiko für thromboembolische Komplikationen dar; auch hier sind KHK kontraindiziert. Multiple oder schlecht kontrollierte CV-Risikofaktoren, einschließlich Bluthochdruck und Tabakkonsum, erhöhen auch das Risiko für thromboembolische Ereignisse. Bei diesen Patientinnen sollten entweder reine Gestagene oder nicht-hormonelle Verhütungsmethoden in Betracht gezogen werden.
 
Nebenwirkungsprofil beachten
Der dritte Schritt bei der Wahl einer Verhütungsmethode ist die Berücksichtigung des Nebenwirkungsprofils. Die nicht-hormonale Kupferspirale kann die Menstruationsblutung verstärken, und bei Patientinnen, die Thrombozytenaggregationshemmer oder gerinnungshemmende Medikamente einnehmen, kann der Blutverlust so hoch sein, dass eine Eisenmangelanämie entsteht oder die Lebensqualität beeinträchtigt wird. Auch das subdermale Implantat wird bei einem großen Teil der Anwenderinnen mit unregelmäßigen Blutungen in Verbindung gebracht. Im Gegensatz dazu kann es bei vielen Frauen, die bestimmte Verhütungsmethoden anwenden, zu einer Amenorrhoe oder einer deutlich verringerten Menstruation kommen. Bei der Hormonspirale beispielsweise tritt bei 20 % der Anwenderinnen nach einem Jahr und bei 37 % nach zwei Jahren eine Amenorrhoe auf, bei Medroxyprogesteron-Depots sind es 64 % nach einem Jahr und 80 % nach zwei Jahren. KHK können auch zu vorhersehbaren und leichteren Blutungen führen.
Zusätzliche unerwünschte Wirkungen, einschließlich Gewichtszunahme und reversibler Knochenschwund werden häufig bei Patientinnen beobachtet, die Medroxyprogesteron-Depots verwenden. Die Lipidprofile können bei Patientinnen, die KHKs (erhöhte Triglyceride) oder Medroxyprogesteron-Depots (erhöhtes Low-Density-Lipoprotein-Cholesterin) einsetzen, nachteilig beeinflusst werden. Es gibt begrenzte Hinweise darauf, dass KHKs Lipidspiegel oder das Risiko eines Herzinfarkts bei Frauen mit bekannter Dyslipidämie erhöhen. Angesichts der erheblichen Einschränkungen der verfügbaren Daten und der niedrigen Raten nicht diagnostizierter schwerer Hyperlipidämie bei Frauen im gebärfähigen Alter ist ein Screening auf Dyslipidämie vor der Einleitung von KHKs nicht erforderlich. Frauen sollten gemäß den Richtlinien des American College of Cardiology (ACC)/American Heart Association (AHA) auf Dyslipidämie untersucht werden, und zwar ab einem Alter von 20 Jahren und mit einer Neubewertung der CV-Risikofaktoren alle 4 bis 6 Jahre, unabhängig von der Verhütungsmethode.
Das Risiko einer vasovagalen Reaktion bei der Einlage einer Spirale ist gering und kann bei Patienten mit vorlastabhängigen Erkrankungen wie pulmonaler arterieller Hypertonie oder schwerer Klappenstenose schlecht toleriert werden. Die Reaktion ist jedoch in der Regel nur von kurzer Dauer und kann durch eine angemessene Schmerzkontrolle und die Aufklärung der Patientin über die Symptome einer drohenden vasovagalen Synkope minimiert werden. Insgesamt überwiegen die erheblichen Vorteile der IUP-Verhütung das geringe Risiko einer vasovagalen Reaktion auf das Einsetzen des IUP, und dies sollte nicht von der Anwendung dieser Methode abhalten. Es wurden Bedenken hinsichtlich des potenziellen Endokarditisrisikos bei IUP geäußert. Dieses Risiko wurde jedoch nicht nachgewiesen, und die ACC/AHA-Leitlinien für Herzklappen 2020 empfehlen keine antibiotische Prophylaxe für alle Verfahren außer zahnärztliche Eingriffe.
 
Präferenzen der Patientin berücksichtigen
Der vierte Schritt ist die Berücksichtigung der persönlichen Präferenzen der Patientin bei der Wahl einer Verhütungsmethode. Patientinnen mit Kinderwunsch können aus einer Vielzahl von lang- und kurzwirksamen reversiblen Verhütungsmitteln wählen, während Patientinnen, die keinen Kinderwunsch haben, dauerhafte Verhütungsmethoden wie die Eileitersterilisation oder die Sterilisation des Mannes in Betracht ziehen können. Eine sofortige Eileitersterilisation nach der Geburt kann oft unter regionaler Anästhesie mit minimal erhöhtem Risiko für die Patientin durchgeführt werden, erfordert aber eine vorausschauende Planung. Patientinnen, die Schwierigkeiten haben, tägliche, wöchentliche oder monatliche Verhütungsmethoden einzuhalten, können von lang wirkenden reversiblen Methoden profitieren, darunter die IUP oder das subdermale Implantat, die je nach gewählter Methode 3 bis 10 Jahre lang eine wirksame Empfängnisverhütung bieten. Für Patientinnen, die hormonfreie Verhütungsmethoden bevorzugen, sind die Kupferspirale, die permanente Empfängnisverhütung oder Barrieremethoden eine Option, wobei Barrieremethoden die höchsten Versagensraten aufweisen. Daher werden sie nicht als alleinige Methoden für Patientinnen mit hohem Risiko für CV-Komplikationen in der Schwangerschaft empfohlen.
 
Frühzeitige Beratung empfohlen
Selbst für Patientinnen mit den komplexesten CVD-Grunderkrankungen gibt es Möglichkeiten zur Schwangerschaftsverhütung. Eine frühzeitige Beratung zur Empfängnisverhütung bietet die Möglichkeit, gemeinsam Entscheidungen zu treffen und die optimale Verhütungsmethode unter Berücksichtigung der individuellen Risiken und Präferenzen der Patientin zu ermitteln. AZ
Quelle: Lindley KJ, Teal SB.: Contraception in Women With Cardiovascular Disease JAMA August 9, 2022 Volume 328, Number 6, doi:10.1001/jama.2022.11541
ICD-Codes: Z30.-
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