Ein Wissenschaftsteam aus Taiwan nutzte zwei landesweite Datenbanken, um die
Inzidenz von Menstruationsschmerzen mit der örtlichen Luftverschmutzung in Beziehung
zu setzen. Bei knapp 300.000 Frauen zwischen 16 und 55 Jahren, die zuvor
noch nicht an Dysmenorrhoe gelitten hatten, verfolgte man im Mittel 11,7 Jahre
lang die Krankenkassenaufzeichnungen. Die Daten nahegelegener Umweltmessstationen
gaben Auskunft über die mittlere jährliche Schadstoffbelastung an ihren
Wohnorten. Anhand der ermittelten Konzentrationen für Stickoxide (NOx), Stickstoffmonoxid
(NO), Stickstoffdioxid (NO2), Kohlenmonoxid (CO) und Feinstaub mit
einem Partikeldurchmesser unter 2,5 μm (PM2,5) wurden die Studienteilnehmerinnen
in jeweils vier Quartile eingeteilt.
Während des Follow-ups klagten 12.514 Frauen bei einem Arztbesuch über
Menstruationsschmerzen. Bei allen untersuchten Schadstoffen lag die Inzidenz
im Quartil mit der stärksten Belastung um ein Vielfaches höher als im Quartil mit
der saubersten Luft. Für Frauen, die den höchsten Konzentrationen von NOx, NO2,
CO oder PM2,5 ausgesetzt gewesen waren, berechneten die Autoren ein rund 30-
fach erhöhtes Dysmenorrhoe-Risiko im Vergleich zur niedrigsten Kategorie. Bei
NO war es „nur“ das 17-Fache. Zudem ergaben sich synergistische Effekte: Am
höchsten war das Risiko bei Frauen, an deren Wohnort alle Luftschadstoffe in
überdurchschnittlichen Konzentrationen vorlagen – wobei hohe Werte von CO
und den verschiedenen Stickstoffoxiden einen größeren Einfluss zeigten als
hohe PM2,5-Werte. Potenzielle Störfaktoren wie Alter, Urbanisationsgrad und
zahlreiche Komorbiditäten waren in der Analyse berücksichtigt. Nicht einbezogen
werden konnte dagegen das Vorliegen von Myomen oder Intrauterinpessare
(IUPs), die ebenfalls mit Dysmenorrhoe assoziiert sind.
In den letzten Jahren fanden Studien bei zahlreichen Erkrankungen, bei denen systemische
Entzündungsreaktionen und oxidativer Stress eine Rolle spielen, eine
Assoziation mit erhöhten Stickoxid- und Feinstaubbelastungen. Ähnliche pathophysiologische
Mechanismen vermutet die Taiwaner Studiengruppe auch bei der
Dysmenorrhoe. Bekannt ist beispielsweise, dass NOX, NO2 und PM2,5 in der Atemluft
zu einer gesteigerten Produktion des Entzündungsmediators Prostaglandin E2
führen können, was wiederum zu Dysmenorrhoe beitragen kann. Auch oxidativer
Stress, der durch diese Schadstoffe verstärkt wird, steht mutmaßlich in Zusammenhang
mit der Entstehung von Menstruationsschmerzen. Eine weitere Erklärungsmöglichkeit
sei emotionaler Stress, der als Risikofaktor gilt und durch die
Feinstaubbelastung verursacht werden kann. Für Zyklusunregelmäßigkeiten, eine
Verkürzung der Lutealphase und Infertilität ist ebenfalls eine Assoziation mit erhöhter
Luftverschmutzung belegt. CW
Feinstaub und Stickoxide
Gyn-Depesche 4/2022
Luftverschmutzung fördert Dysmenorrhoe
Frauen, die in Gebieten mit einer hohen Feinstaubund Stickoxidbelastung wohnen, entwickeln offensichtlich häufiger eine Dysmenorrhoe als in sauberer Luft.
Quelle: Lin S-Y et al.: Increased incidence of dysmenorrhea in women exposed to higher concentrations of NO, NO2, NOx, CO, and PM2.5: A nationwide population-based study. Front Public Health 2021; doi: 10.3389/fpubh.2021.682341
ICD-Codes:
N94.6