Postmenopausale sexuelle Aktivität

Gyn-Depesche 4/2015

Lustkiller Multimorbidität

Multimorbidität im Alter gilt generell als Mortalitätsrisiko. Aber sie hat bei postmenopausalen Frauen auch Einfluss auf die sexuelle Aktivität und Zufriedenheit – und zwar mehr als das Alter.

Kommentar

Die Studie lässt – wie so viele vor ihr auch – eine wesentliche Frage unbeantwortet: Wann ist Unlust oder eine geringe sexuelle Aktivität pathologisch? Das lässt sich nicht in Koitusfrequenz messen. Die Frage nach Lebensqualität, die mittlerweile auch das IQWIG im Bewertungsverfahren für neue Medikamente für sich entdeckt hat, fehlte im Fragebogen dieser Studie bedauerlicherweise. Aber genau darüber sollte man – nicht nur in Studien – mit Patientinnen sprechen (man denke auch an die FDA-Zulassungsempfehlung von Flibanserin=“Frauen- Viagra“, die die Diskussion über die Pathologisierung der Unlust erneut angefeuert hat).

Redaktion Gyn-Depesche
Eine Kohorte von knapp 2000 Frauen mit einem Durchschnittsalter von 60,2 Jahren wurde in Kalifornien mittels strukturiertem Fragebogen befragt. Es wurde eine adaptierte Version des validierten FSFI (Female Sexual Function Index) verwendet. 71% der befragten Frauen wiesen zwei oder mehr Komorbiditäten auf, 19% hatten sogar fünf oder mehr. Am häufigsten litten sie unter Hypertonus (53%), gefolgt von Hyperlipidämie (44%), Arthrose (38%), Harn inkontinenz (32%) und Diabetes (27%). Auch Polymedikation war ein Thema: 52% nahmen fünf oder mehr Medikamente ein (am häufigsten Antibiotika, Schmerzmittel, Statine, NSAR und Diuretika).
59% der Befragten berichteten ein geringes sexuelles Verlangen, 53% hatten weniger als einmal monatlich Sex und 47% erlebten eine generell geringe sexuelle Befriedigung. Jede einzelne zusätzliche Komorbidität erhöhte das Risiko eines geringen sexuellen Verlangens um 11% und das einer niedrigen Sexfrequenz ebenfalls um 11%. Depression und Harninkontinenz waren unabhängige Risikofaktoren für eine geringe Sexlust. Signifikant häufiger fand man bei steigender Komorbiditäten-Anzahl Erregungs-, Lubrifikations- und Orgasmus-Probleme (p=0,002; p=0,005; p=0,02). Eine Dyspareunie war in diesem Zusammenhang nicht relevant. Es scheint, dass Multimorbidität bei älteren Frauen die sexuelle Befriedigung negativ beeinflusst. Und dieser Einfluss ist größer als der des alleinigen Alters. CB
Quelle:

Appa AA et al.: The impact of multimorbidity on sexual function in middle-aged and older women: beyond the single disease perspective. J Sex Med 2014; 11(11): 2744-55

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