In den Jahren 2008 bis 2011 wurden in drei norwegischen Entbindungskliniken insgesamt 1064 Fälle mit schwerer postpartaler Hämorrhagie mit einem Blutverlust über 1500 ml oder Transfusionsbedarf verzeichnet. Als Kontrollgruppe dienten 2059 zufällig ausgewählte Entbindungen ohne Hämorrhagie aus dem gleichen Zeitraum. Erwartungsgemäß lagen die Raten von früheren postpartalen Blutungen, Uterusmyomen, Mehrlingsschwangerschaften und Placenta praevia in der Fallgruppe höher. Auch Nulliparae, Frauen mit einer Anämie zu Beginn der Schwangerschaft und Patientinnen mit einer schweren Eklampsie oder mit einem HELLP-Syndrom fanden sich hier häufiger als in der Kontrollgruppe. Weheninduktion und -augmentation, Epiduralanästhesien, vaginal-operative Geburten und Notfall- Sectiones kamen ebenfalls zu einem größeren Anteil vor. Der BMI der Mutter, ihr
Alter oder das Geburtsgewicht des Kindes wirkten sich dagegen nicht auf das Blutungsrisiko aus.
Ein deutlicher Unterschied zeigte sich hinsichtlich der Art der Konzeption: Während in der Gruppe mit schwerer Hämorrhagie 10,8% der Schwangerschaften mithilfe von IVF oder ICSI zustande gekommen waren, war dies in der Kontrollgruppe nur bei 4,0% der Fall. Am stärksten erwies sich die Assoziation nach Berücksichtigung der anderen Einflussfaktoren bei Mehrlingsschwangerschaften: Hier stieg das Blutungsrisiko nach einer ART auf das Siebenfache. Bei Einlingen erhöhte es sich dagegen „nur“ um 58%.
Da frühere Studien belegten, dass Subfertilität ohne ART die Rate postpartaler Hämorrhagien nicht vergrößert, gehen die Autoren davon aus, dass es sich bei der ART um einen unabhängigen Risikofaktor handelt. Nicht auszuschließen ist allerdings, dass bei Frauen, die mithilfe von IVF oder ICSI schwanger wurden, andere Diagnosen vorliegen als bei einer spontanen Konzeption trotz Subfertilität. Über deren individuelle Ursache und die jeweils eingesetzte ART-Methode lagen in der aktuellen Studie keine Informationen vor.
Möglicherweise beeinflussen IVF und/oder ICSI in einer frühen Phase der Implantation die Formation der maternal-fetalen Übergangszone. Strukturelle Anomalien, die zu einer größeren und dickeren Plazenta führen, wurden bei ART-Schwangerschaften bereits nachgewiesen. Epigenetische Studien belegen darüber hinaus eine veränderte Genexpression in humaner Plazenta nach ART. Bekannt ist außerdem, dass ein niedriger hCG-Spiegel in der Lutealphase in ART-Schwangerschaften das Risiko postpartaler Blutungen erhöht. Das legt nahe, dass eine bessere Unterstützung der Lutealphase nach ART einen protektiven Effekt haben könnte.
Bei multiplen Schwangerschaften könnten sich negative Effekte der ART auf die Plazentation verstärken – was die Steigerung des Hämorrhagierisikos erklären würde. Die Autoren empfehlen daher einen Single-Embryo-Transfer, um das Risiko von Mehrlingen nicht zu erhöhen. In jedem Fall sollten Kinderwunschpaare vor Beginn der ART über das erhöhte Blutungsrisiko aufgeklärt werden. CW