37. Senologie-Jahrestagung

Gyn-Depesche 5/2017

Mehr Neoadjuvanz – Checkliste „erbliche Belastung" – Radiatio

Brustkrebs ist heute eine systemische Erkrankung mit längerem Überleben als noch vor wenigen Dekaden. Dies gelang trotz reduzierter operativer Radikalität, verkürzter Bestrahlung und weniger aggressiver Systemtherapien. Die Senologie-Jahrestagung stand daher unter dem Motto „Brustkrebsbehandlung: weniger ist mehr“.

Auf Basis von Studienergebnissen wird heute diskutiert, ob die pathologische Komplettremission (pCR) im Verlauf einer neoadjuvanten Therapie als Surrogatmarker für das Überleben angesehen werden kann, erinnerte Priv.-Doz. Dr. Marc Thill, Frankfurt. Zwar kann diese Frage aufgrund ungenügend gepowerter Studien derzeit nicht abschließend beantwortet werden. Laut Thill gibt es jedoch heute recht valide Daten für bestimmte Subgruppen: So korreliert die pCR bei Patientinnen mit HER2-positivem und tripelnegativem Brustkrebs durchaus mit einem Überlebensvorteil. Voraussetzung für den Nachweis einer pCR ist derzeit die Resektion von Tumor und axillären Lymphknoten, wobei innerhalb der neuen Tumorgrenzen operiert wird. Aufgrund der Diskussion um die prognostische Bedeutung einer pCR für die betroffene Patientin, die auch Auswirkungen auf die nachfolgende Therapie im Rahmen postneoadjuvanter Konzepte hat, stellt sich jedoch die Frage, ob nicht bei klinischer pCR auf eine Operation verzichtet werden kann. In der deutschen RESPONDER-Studie wird daher jetzt geprüft, ob eine pCR auch durch vakuumbioptische Entfernung des residuellen Tumors bzw. im Falle großer Läsionen eines repräsentativen Anteils des Tumorbettes bestätigt werden kann. Derzeit ist dieses Vorgehen allerdings experimentell, betonte Thill. Fortschritte in der Neoadjuvanz Die neoadjuvante Therapie hat sich im letzten Jahrzehnt beim frühen Brustkrebs dank positiver Studien als äquieffektive Alternative zur adjuvanten Therapie erwiesen und kommt zunehmend zum Einsatz, berichtete Dr. Fabian Riedel, Heidelberg. Dieser therapeutische Wandel lässt sich auch anhand der klinischen Erfahrungen an einem deutschen Brustzentrum nachvollziehen. Riedel und Mitarbeiter werteten Daten von über 5700 Patientinnen mit primärem Brustkrebs aus, die zwischen 2003 und 2014 an der Heidelberger Uni-Frauenklinik behandelt wurden. In diesem Zeitraum waren 39% der Patientinnen zytostatisch behandelt worden: 37% hatten eine neoadjuvante, 63% eine adjuvante Therapie erhalten. Nach Zulassung von Trastuzumab in der Neoadjuvanz im Jahr 2008 fiel ein steiler Anstieg bei den neoadjuvanten Therapien auf heute 65% auf; entsprechend sank der Anteil adjuvanter Therapien auf 35% ab. Riedel wies darauf hin, dass der Anteil zytostatisch behandelter Patientinnen im Untersuchungszeitraum generell stark abfiel – von 48% im Jahr 2003 auf nur noch 34% im Jahr 2014. Die verbesserte systemische Therapie schlug sich in einem deutlichen Anstieg der pCR-Rate von 12% im Jahr 2003 auf 41% bis 2014 nieder. Besonders hoch war die Rate bei HER2-positiven Tumoren mit 68%, was Riedel auf die duale Antikörperblockade mit Trastuzumab und Pertuzumab zurückführte. Gemäß den Heidelberger Daten leben heute, fünf Jahre nach Diagnosestellung, noch rund 95% der Patientinnen mit invasivem Mammakarzinom. Bei Frauen mit HER2-positivem Tumor liegt die 5-Jahres-Rate bei 86%. Erbliche Belastung erkennen Bei der „Checkliste zur Erfassung einer möglichen erblichen Belastung für Brust- und/ oder Eierstockkrebs“ der DKG (DKG-BRCA- Checkliste) handelt es sich um einen Kurztest, mit dem Mamma- und Ovarialkarzinome bei der Patientin selbst, ihren Kindern und/ oder Geschwistern sowie bei weiteren Verwandten der mütterlichen und väterlichen Linie erfasst werden. Ab einem Score von ≥3 Punkten wird eine Risikoberatung in einem humangenetischen Zentrum empfohlen. Die Arbeitsgruppe um Dr. Kristin Bosse, Tübingen, evaluierte den Nutzen dieses Instruments bei 1543 konsekutiven Brustkrebspatientinnen am Universitätsfrauenklinikum Tübingen. Bei 441 Patientinnen (28,6%) wurde ein Risikoscore ≥3 ermittelt. Damit bestand die Indikation zur humangenetischen Beratung. In 21,6% der Fälle war die familiäre Belastung durch die Mutter übertragen worden. Bei 4,8% der Patientinnen stammte sie aus der väterlichen, bei 2% aus beiden Linien. Die Checkliste kann als Excel-Datei hier heruntergeladen werden: www.brca-netzwerk.de. Intraoperative Radiatio Durch die intraoperative Strahlentherapie (IORT) mit intraoperativem Boost während der brusterhaltenden Operation wird eine Reduktion der Gesamtmortalität durch Verhinderung insbesondere vaskulärer Todesfälle erreicht. Dies zeigt die Auswertung von 46 Patientinnen mit HR-positivem Brustkrebs, von denen 21 einen IORT-Boost, 26 einen externen Boost (EBRT) erhielten. Das krankheitsfreie Überleben war in beiden Gruppen vergleichbar. Anders die Gesamtmortalität, sie lag in der EBRT-Gruppe bei 21%, in der IORT-Gruppe dagegen bei 0% (p=0,028). Der Unterschied kam laut Dr. Hans-Christian Kolberg, Bottrop, durch die signifikant geringere nicht-brustkrebsspezifische Sterblichkeit zustande. Verantwortlich für diese Todesfälle waren ausschließlich vaskuläre Ursachen: Bei den extern bestrahlten Patientinnen traten zwei Myokardinfarkte, eine Lungenembolie und ein Schlaganfall, in der IORT-Gruppe dagegen keines dieser Ereignisse auf. Das Ergebnis spricht laut Kolberg für die Rekrutierung von Patientinnen in die Studie TARGIT-B, in der IORT versus externem Boost geprüft wird. KA

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