Kopfschmerzen lassen sich in primäre und sekundäre einteilen. Primäre Zephalalgien sind Ausschlussdiagnosen nach gründlicher Anamnese, körperlicher und umfassender neurologischer Untersuchung und relevanten diagnostischen Maßnahmen. Dazu zählen u. a. Migräne, Spannungs- und Cluster-Kopfschmerz. Sekundäre Zephalalgien sind Symptome ursächlicher Leiden, etwa bei zerebrovaskulären Erkrankungen wie Arteriendissektion, Sinusthrombose, arteriovenöse Missbildung, subdurales Hämatom, Riesenzellarteriitis, bei gestörtem intrakraniellem Druck, bei Raumforderungen, Infektionen, nach Trauma, bei muskuloskelettalen Leiden, z. B. am Kiefergelenk, und als Folge von übermäßigem Medikamentengebrauch.
Obwohl Spannungskopfschmerz der häufigste primäre ist, kommen Patienten wegen ihrer Intensität eher mit Migräne zum Arzt. Frauen sind öfter als Männer betroffen. Bei vielen besteht eine Assoziation zwischen Migräneattacken und dem Zyklus.
IHS liefert Diagnose-Kriterien
Die Diagnose Migräne (nach Ausschluss sekundärer Kopfschmerzursachen) wird in die Kategorien mit und ohne Aura eingeteilt. Die Autoren listen die Kriterien der zweiten Ausgabe der International Classification of Headache Disorders der International Headache Society auf (ICHD-II* von IHS). Weiter unterteilt werden kann nach der Häufigkeit und danach, ob ein Zusammenhang zwischen Mens-truation und Anfallshäufigkeit und -schwere besteht. Ab 15 Migränetagen pro Monat spricht man von chronischer Migräne.
Bei zeitlichem Bezug zur Periode kann rein menstruelle oder menstruationsassoziierte Migräne vorliegen. Erstere ist definiert als Attacken ohne Aura, die in mindestens zwei von drei aufeinander folgenden Zyklen auftreten, und zwar ausschließlich an den Tagen 1 und 2 der Periode (mögliche Dauer zwei Tage vorher und nachher, Tag -2 bis +3, Tag o gibt es nicht). Die menstruationsassoziierte Migräne findet auch an diesen Tagen statt, v. a. Tag 1 und 2, aber auch zu anderen Zeiten des Zyklus. Die Diagnosen lassen sich mit Aufzeichnungen in Kopfschmerztagebüchern über mindestens drei Monate bestätigen. Bei chronischer Migräne kann der Bezug zu den Menses der Patientin initial nicht klar sein. Die Kopfschmerztagebücher helfen zudem bei der zeitlichen Therapieplanung.
Weltweit leiden 14% der Frauen und 6% der Männer an Migräne (in den USA 18 und 6%). Vor der Pubertät sind die Prävalenzen mit ca. 4% fast gleich. Obwohl das Leiden in der Kindheit beginnen kann, fängt es bei Frauen in 80% zwischen zehn und 39 Jahren an. Es trifft 5 bis 10% der Jugendlichen und 20 bis 25% der Frauen von 30 bis 50 Jahren mit Menstruationen. Nach der Menopause haben weniger als 10% der Frauen Anfälle. Bei Migräne-Patientinnen liegt die Prävalenz der reinen menstruellen Form bei 3,5 bis 12%, die der menstruationsassoziierten bei ca. 50%.
Man nimmt an, dass die Migräne pathophysiologisch primär auf einer neurovaskulären Dysfunktion beruht, als Folge eines Phänomens namens „cortical spreading depression“ (CSD). Die CSD-Empfänglichkeit dürften genetische und Umgebungsfaktoren modulieren. Gestörter Schlaf, bestimmte Nahrungsmittel und Stress können eine Rolle für die Erzeugung einer CSD spielen.
Beobachtungen aus klinischen Studien sprechen für eine starke Assoziation zwischen der Rolle von Östrogenen und dem Auftreten von Migräne. Häufig wurde registriert, dass plötzliche Konzentrationsabfälle, die kurz vor den Menses stattfinden, Migräne triggern. U. a. führen die Verfasser an, dass prämenstruelle Östrogengabe die Migräne verzögerte, aber nicht die Periode, wogegen Progesteron die Periode verzögerte, aber nicht die Migräne. Auch können Langzeitimplantate, die ungleiche Östrogenmengen freisetzen, zu Spiegelfluktuationen und irregulären Blutungen führen und Attacken triggern. Daneben spielen evtl. auch Prostaglandine eine Rolle, wobei diese von Östrogenen beeinflusst werden. U. a. gibt es auch Hinweise darauf, dass Östrogene den Stoffwechsel endogener Opioide modulieren. Intrazelluläre und molekulare Rollen der Östrogene in der Migränepathogenese sind noch zu klären. Mehrere genetische Polymorphismen (darunter solche von Hormonrezeptoren) sind als Migräne-Risikofaktoren eingestuft worden.
Es gibt klinische Besonderheiten
Zyklusbezogene Attacken neigen zu stärkerer Therapieresistenz, dauern länger und typischerweise fehlt eine Aura. Generell für Migräne gilt, dass sie in der Schwangerschaft initial schlimmer werden kann, es aber meist zu Besserungen im zweiten und dritten Trimenon kommt. Keine Veränderungen finden sich in ca. 25%. Nach der Geburt kehrte die Migräne in einer Studie in 94% wieder. Nach der Menopause nehmen Häufigkeit und Schwere der Attacken oft ab. In der Women’s Health Study war die Quote Betroffener bei HRT höher als ohne (13 vs. 9%).
Fettgewebe kann einen signifikanten Beitrag zu den zirkulierenden Östrogenen liefern. Bei Adipositas besteht Komorbidität mit chronischen Schmerzsyndromen. In einer Studie litten von 18 968 Migräne-Patienten unter sehr häufigen Attacken (zehn bis 14 Tage pro Monat) 6,5% der Normal-, 7,4% der Übergewichtigen und 8,2% der Adipösen (Klasse I).
Prophylaxe wird bei Kopfweh betrieben, wenn die Episoden häufig sind oder deutlich mit den Aktivitäten des täglichen Lebens interferieren oder wenn Akut-Therapie kontraindiziert ist bzw. nicht wirkt. Zu den bei Migräne eingesetzten Substanzklassen gehören u. a. Antiepileptika, Kalziumantagonisten, Betablocker und trizyklische Antidepressiva. Theoretisch kann Stabilisierung der Östrogenspiegel zur Prävention menstrueller Migräne dienen; Östrogengabe hat jedoch unterschiedliche Ergebnisse gebracht.
Was orale Kontrazeptiva betrifft, so wird von Östrogensupplementation traditionellerweise angenommen, dass sie das Apoplex-Risiko von Frauen mit Migräne erhöht, besonders bei Migräne mit Aura. (Die Autoren verweisen in der Literaturliste u. a. auf Empfehlungen von WHO und IHS.) Zur erhöhten Migräne-Inzidenz unter HRT siehe oben.
Eine Entscheidung zur Gabe östrogenhaltiger Hormonsupplemente sollte – bei bestimmten Patientinnen nach Versagen konservativer Therapien und nach sorgfältiger Abwägung von Risiken und Nutzen in Bezug auf die etwas erhöhte Schlaganfallgefahr – vorsichtig getroffen werden. Man berücksichtige hier die individuellen Apoplex-Risikofaktoren.
Für die akute Therapie der Attacken gilt für NSAR wie Triptane, dass Versagen eines Wirkstoffs nicht ausschließt, dass ein anderer aus der Klasse hilft. Bei der Kurzzeitprophylaxe der menstruellen Migräne werden NSAR oder Triptane um die Periode herum eingenommen. Die Autoren machen detaillierte Angaben zu mehreren Studien. Zudem berichten sie über mehrere Arbeiten zum Einfluss von bariatrischer Chirurgie auf Migräne. SN
*deutsche Version: http://ihs-classification.org/de/