Erbgut-Anomalien sicherer aufdecken

Gyn-Depesche 3/2015

Molekulargenetische Methoden bewähren sich

Zertifizierte Fortbildung

Viele Eltern wollen frühzeitig wissen, ob beim Nachwuchs mit einer genetisch bedingten Anomalie zu rechnen ist. Dabei sollte die Diagnostik so treffsicher und so wenig invasiv wie möglich sein. Moderne Methoden der Molekulargenetik werden solchen Ansprüchen weitgehend gerecht. Mit ihrem Einsatz auf breiter Ebene ist wohl bald zu rechnen.

Mikrodeletionssyndrome

Die Entdeckung, dass man in der mütterlichen Zirkulation zellfreie DNA finden kann, die vom Fetus oder der Plazenta stammt, hat zu einer Revolution beim pränatalen Screening geführt. Häufige Aneuploidien kann man jetzt mit hoher Sensitivität und Spezifität nachweisen; die Notwendigkeit invasiver Prozeduren ließ sich stark reduzieren. In den USA sind zwei derartige Testprinzipien auf dem Markt. Sie arbeiten entweder mit der Quantifizierung von Anomalien durch massives oder gezieltes paralleles Sequenzieren oder aber auf der Basis von single nucleotide polymorphisms (SNP). Mit beiden kann man ein hohes Risiko für Trisomie 21 (Down- Syndrom), Trisomie 18 und 13 und Anomalien der Sex-Chromosomen nachweisen (mit dem SNP-Test auch Triploidien).
Auf subchromosomaler Ebene kommen aber viele weitere Defekte vor (Mikrodeletionen und Duplikationen), die zu physischen oder intellektuellen Defiziten führen können, die schwerer als die Folgen von Anomalien der ganzen Chromosomen sein können. Ihre Häufigkeit ist unabhängig vom Alter der Mutter. Sie kommen bei 1 bis 1,7% der strukturell normalen Schwangerschaften vor. Manche Kinder mit subchromosomalen Anomalien können von zeitiger therapeutischer Intervention profitieren; das macht frühes Erkennen so wertvoll. Mit herkömmlichen Screeningmethoden werden sie nur in wenigen Fällen erkannt.
Eine US-amerikanische Arbeitsgruppe lotete den Nutzen einer SNP-basierten Methode zur Diagnose „größerer“ Mikrodeletionen aus, die fünf Syndromen mit klinisch gravierenden Phänotypen zugrunde liegen. Es handelte sich um Mikrodeletionen in den Regionen 22q11.2 (Di- George) und 1p36 sowie den Cri-du-chat-, Prader- Willi- und Angelman-Regionen.
Zunächst wurde an Zelllinien verifiziert, dass der Test auf die anvisierten Deletionen ansprach. Dann wurde er mit 469 Plasmaproben (358 von schwangeren Frauen und 111 artifiziellen Mixturen) erprobt. Die Prozedur schloss eine vielfache Polymerase-Kettenreaktion (PCR), eine Sequenzierung und eine SNP-Analyse ein.
Die Auswertung ergab eine Detektionsrate von 97,8% für eine 22q11.2-Deletion sowie von jeweils 100% für Prader-Willi-, Angelman, 1p36- und Cri-du-chat-Syndrom. Falsch-positive Ergebnisse machten 0,76% für 22q11.2 und 0,24% für Cri-du-chat aus; keine kamen vor für Prader- Willi-, Angelman- und 1p36-Deletionssyndrom.
Die Deletionen, die in dieser Studie eingeschlossen wurden, entsprachen fast 70% der kausalen Mutationen bei den fünf Syndromen. Die Autoren schätzen, dass mit solchen Tests mehr als 70% der betroffenen Schwangerschaften identifiziert werden könnten.
Die fünf Defekte weisen zusammen eine Inzidenz von ca. 1:1000 in der Bevölkerung auf. Sie sind mit signifikanter Morbidität und Mortalität wie auch intellektuellen Defiziten assoziiert. Der nichtinvasive Test wird der Forderung nach gutem positivem Vorhersagewert und einem falsch-positiven nahe 0% gerecht. Angesichts der Häufigkeit von Mikrodeletionssyndromen halten die Autoren es für nicht angebracht, von Niedrigrisiko-Schwangerschaften zu sprechen. Ein Screening auf der Basis solcher Tests bezeichnen sie als erwägenswert. Damit einhergehen müsste allerdings eine intensive Schulung der Betreuer und eine ausführliche Beratung der Patientinnen.
 

Chromosomenanomalien

Für den Nachweis „grober“ Chromosomen - anomalien gilt die Karyotypisierung (mit G-Banding kultivierter Zellen) anhand von invasiv akquiriertem Material als Goldstandard unter den verfügbaren Methoden, zumindest wenn man sie mit FISH (fluorescent in situ hybridisation) oder quantitativer Fluoreszenz-PCR vergleicht. Letztere beide identifizieren keine strukturellen Anomalien und weisen nur die häufigsten Aneuploidien nach (13, 18, 21 und X). Konkurrenz erwächst der Karyotypisierung aber nunmehr in der comparative genomic hybridization (CGH).
Das Verfahren wurde schon in verschiedenen Feldern der Medizin eingesetzt, und eignet sich auch für die Pränataldiagnostik. Man kann damit Mikrodeletionen und Mikroduplikationen von einer Größe oberhalb von 500 bp entdecken, die bei der Karyotypisierung nicht erkannt werden. In Hochrisikofällen wurde mit Karyotypisierung positive Ergebnisse in 2,5 bis 4,2% der Fälle registriert, mit CGH in 5,3 bis 15%. Liegen anatomische Defekte des Fetus vor, können es 9,3 bis 39% sein. Man erhält die Ergebnisse schneller als mit der Karyotypisierung; allerdings sind die Kosten auch höher.
Die Evaluierung der neuen Methode ist noch nicht abgeschlossen. Eine kolumbianische Arbeitsgruppe konzentrierte sich auf den Vergleich zwischen Karyotypisierung und CGH sowie mit der Summe aus den Resultaten beider Tests. Dazu diente eine Metaanalyse von Studien, in denen Frauen eingeschlossen waren, die sich einer Chorionzottenbiopsie, Amniozentese oder Chordozentese unterzogen, um damit eine Pränataldiagnostik mit den beiden Verfahren vornehmen zu lassen.
Unter 137 Artikeln zu dem Thema eigneten sich fünf für die Metaanalyse. Damit waren 9974 Schwangere eingeschlossen. Angesichts der Tatsache, dass CGH ein Minus oder Plus an Genmaterial mit höherer Sensitivität nachweist als die Karyotypisierung und diese besser bei Polyploidien und Translokationen ist, wählte man die Kombination aus beiden Methoden als Goldstandard. Im Vergleich zu diesem ergab sich für CGH allein eine Sensitivität von 94,5% und eine Spezifität von 98,7%. Für den Karyotyp allein waren es 67,3% und 99%.
Balanzierte Chromosomen-Rearrangements wie Translokationen oder Inversionen werden mittels CGH nicht identifiziert. Allerdings finden sich bei solchen Veränderungen oft weitere Anomalien, auf die CGH anspricht. Genetische Mosaike werden besser mittels Karyotypisierung als mit CGH erkannt.
Insgesamt ergibt sich eine relative Überlegenheit von CGH gegenüber der Karyotypisierung in der Pränataldiagnostik. CGH zeichnet sich durch höhere Sensitivität bei ähnlicher Spezifität aus. Die Befunde von CGH, die auf Verlust oder Zugewinn von genetischem Material hinweisen, bedeuten teils bekannte pathologische Konstellationen, teils aber auch Anomalien von unklarer Signifikanz. Wer die Wahl hat ... WE


Hinweis: Dieser Artikel ist Teil einer CME-Fortbildung.

Quelle:

Wapner RJ et al.: Expanding the scope of noninvasive prenatal testing: detection of fetal microdeletion syndromes. Am J Obstet Gynecol 2015; 212: 332.e1-9 –

Saldarriaga W et al.: Karyotype versus genomic hybridization for the prenatal diagnosis of chromosomal abnormalities: a metaanalysis. Ebd. 330.e1-10

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