STI-Risiko checken

Gyn-Depesche 5/2020

Nach sexuellen Gewohnheiten fragen!

Viel zu selten wird einer New Yorker Studie zufolge in Arztpraxen eine umfassende Sexualanamnese erhoben – selbst bei einer regional hohen STI-Prävalenz.
In einer Primärversorgungspraxis im New Yorker Stadtteil Bronx analysierte man Akten von 1.017 Patientenbesuche. Das Ergebnis: In knapp zwei Drittel der Fälle wurde keinerlei Sexualanamnese erhoben, bei einem Drittel lediglich ein Teil der Aspekte angesprochen. Eine komplette Sexualanamnese, die Fragen nach Sexualpartnern und -praktiken, Kontrazeptionsmethoden, Schutz vor sexuell übertragbaren Infektionen und STIs in der Vorgeschichte umfasst, fand nur bei 1,08 % der Patienten statt.
Mit zunehmendem Alter der Patienten sank die Wahrscheinlichkeit, dass das Sexualleben thematisiert wurde. Männer wurden signifikant seltener befragt als Frauen. Das Geschlecht des Arztes spielte generell dagegen keine Rolle – allerdings taten sich offensichtlich Ärztinnen bei der Befragung von Patientinnen, insbesondere jüngeren, etwas leichter. Mit fortschreitendem Ausbildungsgrad der Mediziner sank die Bereitschaft, Fragen zu sexuellen Gewohnheiten zu stellen. Einen Grund hierfür vermuten die Autoren im zunehmenden Zeitdruck der Praktiker.
Gerade in einem Gebiet mit einer hohen STI-Prävalenz wie den Bronx sehen die Studienautoren die geringen Sexualanamneseraten als alarmierend an. Eine genauere Kenntnis des individuellen Risikos könnte bei der Prävention von Chlamydien-, HIV- und anderen Infektionen helfen – beispielsweise durch eingehende Beratung und bei Bedarf Verordnung einer Präexpositionsprophylaxe. CW
Quelle: Palaiodimos L et al.: Practices and barriers in sexual history taking: a cross-sectional study in a public adult primary care clinic. J Sex Med 2020; doi: 10.1016/j.jsxm.2020.05.004

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