Forum Hebammenarbeit 2018

Gyn-Depesche 4/2018

Neues zu Geburtsdauer, perinatalem Kindstod und Pränataldiagnostik

Eine längere Austreibungsphase ist weder für Mütter noch für Kinder gefährlich. Diagnostiziert ein Gynäkologe die Behinderung oder den Tod eines Feten, sollte er der Schwangeren Zeit einräumen, bevor weitere Schritte eingeleitet werden. Diese Infos standen im Zentrum des Kongresses „Forum Hebammenarbeit“ in Augsburg.

Prof. Mechthild Groß, Hannover, präsentierte Ergebnisse aus Studien, die sich mit der optimalen Geburtsdauer befassten. Sie riet, die Studien wie folgt zu interpretieren: „Orientieren Sie sich am Median!“ Durchschnittswerte fallen tendenziell zu hoch aus. Das liegt nicht zuletzt die von Groß mitbetreute ProGeb-Studie nahe (mehr Infos unter https://www.mh-hannover.de/progeb.html). 4438 Geburtsverläufe aus Niedersachsen gingen in die Auswertung ein, der längste umfasste 101 Stunden. In der Latenzphase gilt es laut Groß, die Schwangere zu ermutigen und zu vermitteln: „Das ist normal, die Geburt wird einen guten Verlauf nehmen!“ Geduld empfahl Groß allen Beteiligten in der Austreibungsperiode. Eine kürzlich veröffentlichte Studie (Grantz et al.,Obstet Gynecol 2018) mit 100 000 Einlingsschwangeren mit geringem Risiko zeigte auf, dass eine verlängerte Austreibungsperiode (bis zu sechs Stunden) zwar das Risiko für eine Sectio erhöhte, aber nicht mit einem zusätzlichen erhöhten Risiko für ernsthafte Komplikationen bei Mutter oder Kind assoziiert war. Groß‘ Empfehlung: „Wichtig ist, dass man das Kind gut überwacht. Solange man keine Beeinträchtigung sieht, kann man gut zuwarten.“
 
Chancen und Grenzen der Pränataldiagnostik
 
Zum Thema Pränataldiagnostik informierten die Hebamme Dr. Angelica Ensel, Hamburg und die Gynäkologin Dr. Friderike Fornoff, Frankfurt. Fornoff arbeitete die Zuverlässigkeit der nicht-invasiven Pränataltests heraus, bei deren positivem Ergebnis ein invasiver Test folgen sollte. Allerdings sollte man auf Ultraschall dennoch nicht verzichten, will man Auffälligkeiten detektieren bzw. ausschließen – manche Fehlbildung sei zudem nur im Feinultraschall darstellbar. Fornoff schilderte den Fall eines Babys mit Fallot’scher Tetralogie. Im Rahmen des Zweit-Trimester-Screenings im Vierkammerblick war dieser Herzfehler nicht zu sehen. Die Behandlung des Kindes setzte nachgeburtlich zu spät ein, es starb.
Bei Fornoffs zweitem Fallbeispiel lautete die Diagnose nach Ultraschall: „Fetus zu klein, Magen nicht darstellbar“. Invasive Tests folgten, ohne Befund. Das Baby kam zierlich, doch gesund zur Welt. „Pränataldiagnostik – Fluch oder Segen? Sicher beides“, lautete Fornoffs Fazit.
Ensel empfahl den Hebammen, Eltern zu begleiten, die nach der Diagnose einer schwerwiegenden Behinderung ihres ungeborenen Kindes vor der Entscheidung über Leben und Tod ihres Kindes stehen. Ziel sollte es laut Fornoff sein, dass die Eltern eine verantwortliche Entscheidung treffen können. „Teilweise wird der Spätabbruch der Schwangerschaft sofort angeboten“, kritisierte die Expertin. Von Ärztinnen und Ärzten forderte sie, den Eltern stets ausreichend Zeit zum Begreifen der Diagnose und für die Auseinandersetzung mit ihren Gefühlen zu geben.
 
Geburtshilfliche Begleitung bei perinatalem Kindstod
 
Wenn ein Kind im Mutterleib verstirbt, ist das für Hebammen wie Gynäkologen eine Situation, die Hilflosigkeit auslösen kann. Es gilt zu vermeiden, als Reaktion darauf zu schnell in die Handlung zu gehen, verdeutlichte die Hebamme und Dozentin Marie-Christine Gassmann, Bern. „Liegt keine medizinische Dringlichkeit vor, sollte im ersten Schockzustand nichts entschieden werden“, betonte sie. „Lässt man ihnen etwas Zeit, können sich die Eltern wieder mit ihren eigenen Ressourcen verbinden.“ Die meisten Frauen sind nach Gassmann durchaus in der Lage, den schwierigen Weg zu gehen, ihr verstorbenes Kind auf die Welt zu bringen, und mit der Situation einen eigenen Umgang zu finden. „Geburtshelfer sind dazu aufgefordert, die eigenen emotionalen Reaktionen wahrzunehmen und gleichzeitig authentisch und professionell zu bleiben“, ergänzte Gassmann.
Auch die sorgfältige geburtshilfliche Begleitung durch Geburt, Wochenbett und Rückbildungsphase dürfe nicht vernachlässigt werden. Gassmann erinnerte auch daran, dass es in der Schweiz, in Deutschland und Österreich in einzelnen Städten Rückbildungskurse für verwaiste Mütter gibt (mehr Infos für Patientinnen unter zum Beispiel https://www.schwanger-in-bayern.de/schwanger/gluecklos oder https://www.profamilia.de oder www.kindsverlust.ch).
 
Neue Leitlinien erscheinen später
 
Abschließend gab Prof. Dr. Rainhild Schäfers, Bochum, erste Einblicke in die S3-Leitlinien zum Kaiserschnitt und zur vaginalen Geburt am Termin, an denen Fachärzte und Hebammen gemeinsam arbeiten. Die Sectio-Leitlinie soll noch 2018 publiziert werden, jene zur vaginalen Geburt 2019. PP

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