Langzeit-Follow-up der WHI-Studie

Gyn-Depesche 5/2020

Niedrigeres Brustkrebsrisiko nach gestagenfreier Hormontherapie

Wie sich eine postmenopausale Hormontherapie langfristig auf das Mammakarzinomrisiko auswirkt, ist auch nach jahrzehntelanger Forschung nicht eindeutig belegt. Eine neue Analyse der WHI-Studie zeichnet ein differenziertes Bild.
An der WHI-Studie hatten in den 1990er Jahren insgesamt 27.347 postmenopausale Frauen ohne Hinweis auf eine Brustkrebserkrankung teilgenommen. Frauen mit intaktem Uterus nahmen bis zum vorzeitigen Studienstopp im Schnitt 5,6 Jahre lang randomisiert entweder konjugierte equine Östrogene (CEE) plus Medroxy-Progesteron-Acetat (MPA) oder Plazebo. 10.739 hysterektomierte Frauen erhielten durchschnittlich gut sieben Jahre CEE ohne MPA oder Plazebo. 20 Jahre später erfolgte jetzt ein Update zur Inzidenz von Mammakarzinomen in den verschiedenen Gruppen. Zur Mortalität lagen inzwischen Daten von 98 % der Teilnehmerinnen vor.
Unter den Frauen, die CEE plus MPA eingenommen hatten, wurde bei 584 ein Mammakarzinom festgestellt. In der Vergleichsgruppe waren dies nur 447. Das entsprach einer jährlichen Inzidenz von 0,45 % unter CEE/MPA bzw. 0,36 % unter Plazebo oder einem um 28 % höheren Brustkrebsrisiko unter CEE/MPA. Insbesondere stieg das Risiko für eine weiter fortgeschrittene und nodal-positive Erkrankung. Kein signifikanter Unterschied fand sich hingegen bei der Brustkrebssterblichkeit: Mit insgesamt 71 versus 53 Todesfällen betrug die jährliche Mortalitätsrate mit Hormontherapie 0,045 % und ohne 0,035 % (HR 1,35, p=0,11).
Ein ganz anderes Bild ergab sich bei Frauen ohne Uterus, die nur CEE bekommen hatten: Hier verringerte sich das Brustkrebsrisiko im Vergleich zu Plazebo um signifikante 22 %. In der Verumgruppe erkrankten 238 Frauen, nach der Scheintherapie 296; die jährliche Inzidenz lag damit bei 0,30 versus 0,37 %. Die stärkste Risikoreduktion zeigte sich bei Frauen mit negativer Familienanamnese sowie für ER-positive und PR-negative Mammakarzinome. Zu Beginn der CEE-Applikation war der protektive Effekt bei denjenigen Frauen besonders groß, bei denen seit der Menopause bereits mehr als fünf Jahre vergangen waren. Das brustkrebsspezifische Sterberisiko sank durch die Hormontherapie ebenfalls signifikant um 40 % von 0,046 auf 0,031 % jährlich. In absoluten Zahlen war die Risikoreduktion allerdings gering: Pro 10.000 Personenjahre nach einer CEE-Behandlung errechneten die Autoren zwei Todesfälle weniger infolge eines Mammakarzinoms.
Dass eine kombinierte postmenopausale Hormontherapie das Brustkrebsrisiko erhöht, belegen auch die Million Women Study und die Metaanalyse der Collaborative Group on Hormonal Factors in Breast Cancer. Die Ergebnisse der WHIStudie zur gestagenfreien Therapie widersprechen den bisherigen Beobachtungsstudien jedoch. Diese fanden zwischen den beiden HRT-Formen lediglich quantitative Unterschiede hinsichtlich ihrer Effekte auf die Inzidenz von Mammakarzinomen.
Nach Ansicht der Autoren des WHI-Updates ist der qualitativ unterschiedliche Einfluss der beiden Regime auf die Karzinogenese biologisch plausibel. Präklinische und klinische Studien weisen darauf hin, dass es nach einer Phase der Östrogendeprivation zu adaptiven Veränderungen kommt, die Tumorzellen anfälliger für eine Östrogen-induzierte Apoptose machen. Für diese Erklärung spricht, dass die WHI-Studienteilnehmerinnen im Schnitt älter waren und später mit der Hormontherapie anfingen als in den Beobachtungsstudien. MPA hingegen könnte, so die Hypothese, zu einer gestagenvermittelten Erhöhung des Pools an epithelialen Stammzellen führen, der langfristig das Mammakarzinomrisiko steigert. Dieses bleibt nach Ende der kombinierten Hormontherapie offensichtlich mehr als ein Jahrzehnt erhalten.
Dass die Risikoreduktion durch die CEEMonotherapie ein Screening-Artefakt ist, wie Kritiker einwandten, halten die Autoren für unwahrscheinlich: Zwar erhöht CEE zu einem gewissen Maß die Dichte des Brustgewebes, was die Detektion eines Karzinoms durch die Mammographie verzögern könnte. Dies würde die Mortalität jedoch erhöhen und nicht – wie beobachtet – senken. Die höhere Rate von Krebsdiagnosen nach einer CEE-Monotherapie in Beobachtungsstudien könnte vielmehr eine Folge der gesteigerten Nachfrage nach Mammographie- Untersuchungen von hormonbehandelten Patientinnen sein, spekulieren die WHI-Autoren. In randomisierten Studien mit genau definierten Followup- Untersuchungen ergibt sich dieser Unterschied nicht. CW
Quelle: Chlebowski RT et al.: Association of menopausal hormone therapy with breast cancer incidence and mortality during long-term follow-up of the Women’s Health Initiative randomized clinical trials. JAMA 2020; 324: 369-80

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