Aktuelles vom Fortbildungskolleg

Gyn-Depesche 5/2021

Praxistipps zur Wahl der Pille, zu Langzeitverhütung und zu Harnwegsinfekten

Fortbildungen für Gynäkologen werden regelmäßig bei den Veranstaltungen des Fortbildungskollegs angeboten. Im Mittelpunkt der Online-Veranstaltung vom August und September 2021 standen relevante Themen der täglichen Praxis.
Harnwegsinfektionen natürlich behandeln
Harnwegsinfektionen (HWI) gehören zu den häufigsten bakteriellen Infektionskrankheiten in der gynäkologischen Praxis und zu den häufigsten Gründen für einen Arztbesuch. Bei einer Zystitis sind Symptome nur auf den unteren Harntrakt begrenzt, es kommt zu Schmerzen beim Wasserlassen, imperativem Harndrang, Pollakisurie und Schmerzen oberhalb der Symphyse. Bei einer Pyelonephritis können Flankenschmerz, klopfschmerzhafte Nierenlager und/oder Fieber (> 38° C) hinzukommen. Die Diagnose HWI kann mit der Beantwortung von zwei diagnostischen Leitfragen gestellt werden: Bestehen beim Wasserlassen relevante Schmerzen und gehen die häufigen Miktionen mit imperativem Harndrang einher? Und: Vermuten Sie eine Harnwegsinfektion als Ursache? Wird die erste und/oder zweite Frage bejaht, ist eine Harnwegsinfektion sehr wahrscheinlich. Als weitere Indizien gelten das Vorhandensein einer Hämaturie und ein positiver Teststreifen (Nitrit und/oder Leukozytenesterase-Aktivität). Bei unkomplizierten Harnwegsinfektionen sollten neue Wege beschritten werden, um wirksame Antibiotika für ernste und bedrohliche Erkrankungen aufzusparen, erläuterte Priv.-Doz. Dr. Winfried Vahlensieck, Bad Nauheim. Vahlensieck setzt hier gerne eine fixe Kombination aus drei Pflanzenextrakten (Goldrute, Orthosiphon, Hauhechel) in Tablettenform ein: „Der Orthosiphon-Extrakt vermindert die Fähigkeit der Erreger, sich in der Blasenschleimhaut einzunisten und löst die schmerzhaften Krämpfe. Extrakte aus Hauhechel unterstützen dies durch eine Schmerzlinderung. Goldruten-Extrakt wirkt antibakteriell, bekämpft also die Erreger selbst und stimuliert das Immunsystem.“ Falls eine Antibiotika-The- rapie erforderlich ist, kann das Präparat auch unterstützend eingesetzt werden. VW
 
Priv.-Doz. Dr. med. Winfried Vahlensieck: Aktuelle Diagnostik und Therapie der Zystitis.
 
Welche Pille für welche Frau?
Seit einigen Jahren wird die Einnahme von Hormonen kontrovers diskutiert, immer mehr Frauen wechselten von der sicheren Verhütung mittels hormoneller Kontrazeption auf weniger effektive Methoden. „Zeitgleich wurden ein Anstieg an Schwangerschaftsabbrüchen und ein vermehrter Verkauf von Notfallkontrazeptiva dokumentiert“, fasste Dr. Ludwig N. Baumgartner aus Freising zusammen. Bei den in Deutschland verfügbaren kombinierten oralen Kontrazeptiva (KOK) in verschiedenen Hormonzusammensetzungen liegen die Unterschiede vor allem bei der Höhe des Risikos für venöse Thromboembolien (VTE). Verantwortlich für das VTE-Risiko scheint das Ethinylestradiol (EE) zu sein. Allerdings konnte die Inzidenz für VTE durch eine Reduktion von EE erheblich gesenkt werden: Ergebnisse einer dänischen Fall-Kontroll-Studie zeigen, dass eine Verringerung der EE-Dosis von 30 μg auf 20 μg das relative Risiko für VTE um 40 % senken kann. Gestagene in KOK weisen hingegen per se kein solches Risiko auf. Progestine wiederum können die EE-Wirkung indirekt modulieren, und somit das VTE-Risiko beeinflussen. Zu den stark antagonistisch wirkenden Progestinen zählt Levonorgestrel; Norgestimat und Drospirenon wirken hingegen nur leicht bzw. gar nicht antagonistisch. Gemäß Studiendaten besteht jedoch kein Unterschied hinsichtlich des VTE-Risikos für Drospirenon im Vergleich zu Levonorgestrel jeweils in Kombination mit EE. Eine gute Übersicht bietet unter anderem der „Züricher Gesprächskreis Hormone“, auch die deutsche S3-Leitlinie zur hormonellen Verhütung wurde 2020 aktualisiert. „Bei der Risikobewertung ist zu berücksichtigen, dass alltägliche Risikofaktoren wie Rauchen und Adipositas für die Entwicklung einer VTE eine wesentlich größere Rolle spielen als die orale Kontrazeption“, so Baumgartner. VW
 
Dr. Ludwig N. Baumgartner, Freising: Hormonelle Kontrazeption – Wirksamkeit und Sicherheit.
 
Öfter Langzeitverhütungsmittel empfehlen! Von circa 17,5 Millionen Frauen, die in Deutschland verhüten möchten, würden sich laut Choice-Studie knapp 60 % nach einer entsprechend ausführlichen Aufklärung für ein intrauterines System entscheiden – allerdings erhielten die Frauen die gewählte Kontrazeption in der Studie kostenlos. „Die tatsächliche Quote liegt deutschlandweit jedoch nur bei knapp 7 %“, kommentierte Dr. Massimo Lombardo, München. Laut der Coco(Contraceptive Counceling)-Studie wünschen sich 60 % der Frauen eine östrogenfreie Verhütung, gut die Hälfte möchte einen natürlichen Zyklus behalten, ohne Einbußen bei der kontrazeptiven Sicherheit. Die Rate der Pillenverweigerer hat bei 18- bis 25-Jährigen um fast 20 % zugenommen, auch wurden rund 10 % mehr Kondome benutzt. Die Folge sind 128 Schwangerschaftsabbrüche auf 1.000 Schwangerschaften. Mit Langzeitverhütungsmitteln könne man dies effektiv vermeiden, so Lombardo. In den USA werden schon für junge Frauen LARC (Long-Acting Reversible Contrazeption) zur Prävention ungewollter Schwangerschaften empfohlen, davon sei man in Deutschland aber noch weit entfernt, obwohl es geeignete und sehr sichere Spiralen gäbe. Das Levonorgestrel-freisetzende Intrauterinsystem (52 mg LNG-IUS) erhielt neu in Deutschland die Zulassung für eine verlängerte Anwendung zur Empfängnisverhütung für bis zu sechs Jahren. Diese Erweiterung der maximalen Anwendungsdauer von fünf auf sechs Jahre bezieht sich dabei auf das neu gelegte sowie auf ein bereits angewendetes LNG-IUS. „Die täglich freigesetzte Hormonmenge ist bei LNG-IUS geringer als bei jeder anderen Form der hormonellen Verhütung, sodass der natürliche hormonelle Zyklus und auch der Eisprung unter der Anwendung eines LNG-IUS in der Regel erhalten bleiben,“ ist Lombardo überzeugt. VW
 
Dr. Massimo Lombardo, München: Verliebt, verlobt, verhütet … die neuen Verhütungsansprüche.
ICD-Codes: Z30.

Alle im Rahmen dieses Internet-Angebots veröffentlichten Artikel sind urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, auch Übersetzungen und Zweitveröffentlichungen, vorbehalten. Jegliche Vervielfältigung, Verlinkung oder Weiterverbreitung in jedem Medium als Ganzes oder in Teilen bedarf der schriftlichen Zustimmung des Verlags.

x