Hormonelle Kontrazeptiva in der Blisterbox

Herbsttagung der Deutschen Diabetes Gesellschaft

Gyn-Depesche 1/2022

Risikoprofil hormoneller Kontrazeptiva bei Diabetes

Die Anwendung hormoneller Kontrazeptiva ist bei Diabetikerinnen grundsätzlich unproblematisch, wie Prof. Martin Merkel vom Endokrinologikum Hamburg im Rahmen der vergangenen Diabetes Herbsttagung erläuterte. Hinsichtlich des vaskulären Risikos gibt es aber einige Einschränkungen.
Östrogene und Gestagene haben einen wesentlichen Einfluss auf den Glukose-, Fett- und Leberstoffwechsel. Während Gestagene den Insulinbedarf steigern, den LDL-C senken, den HDL-C erhöhen sowie die Produktion von Triglyzeriden und Gerinnungsfaktoren ankurbeln, haben Östrogene die gegenteilige Wirkung.
Dennoch spreche die bisherige Evidenz dafür, dass eine hormonelle Kontrazeption auch bei Diabetikerinnen möglich ist, erklärte Merkel. So fand die Nurses Health Study mit über 115.000 eingeschlossenen Frauen keinen Anstieg der Rate an Diabetes-Neumanifestationen unter hormoneller Verhütung. Auch in einem Cochrane Review von 2019 zeigte sich kein signifikanter Effekt auf den Zuckerstoffwechsel. Eine Studie an knapp 400 Typ-1- und Typ-2-Diabetikerinnen fand ebenfalls keine Assoziation mit Hypertonie, HbA1c, Proteinurie oder Retinopathie.
Sogar die Auswirkungen hormoneller Kontrazeptiva auf das Körpergewicht sind Merkel zufolge nur schlecht belegt: Lediglich für orale Gestagen-Monopräparate sowie Dreimonats-Spritzen konnte eine Erhöhung des Körpergewichts nachgewiesen werden (< 2 kg bzw. 4,1 - 6,5 kg), nicht jedoch für kombinierte orale Kontrazeptiva, Hormonpflaster, Vaginalring, Gestagenimplantat oder gestagenhaltige IUDs. Auch das Risiko venöser Thromboembolien unter hormoneller Kontrazeption ist bei Diabetikerinnen nicht höher als bei Frauen ohne Diabetes: In beiden Fällen ist das Risiko bis zu vierfach höher als bei Frauen ohne hormonelle Verhütung.
 
Wenn eins plus eins nicht zwei ergibt
Analog zu Nicht-Diabetikerinnen sei jedoch bei Vorliegen mehrerer (kardio-)vaskulärer Risikofaktoren in der Kontrazeptionsberatung Vorsicht geboten, warnte Merkel. Beispielhaft nannte er eine Fall-Kontroll-Studie mit 1.200 Studienteilnehmern, welche die überadditive Risikopotenzierung mehrerer kardiovaskulärer Faktoren verdeutlicht hatte: Während eine Hypercholesterinämie oder eine koronare Herzerkrankung das Herzinfarktrisiko jeweils um das 2- bis 4-fache im Vergleich zu gesunden Personen steigerten, lag das Risiko bei Vorliegen beider Erkrankungen bereits um das 25-Fache höher.
„Zudem gibt es Einzelfallberichte von Frauen – mit oder ohne Diabetes – die in Folge der hormonellen Kontrazeption eine Hypertriglyzeridämie entwickelt haben“, berichtete Merkel. Die regelmäßige Kontrolle der Triglyzeridwerte könne daher in bestimmten Fällen sinnvoll sein.
Merkels Fazit: „Bei Frauen mit Diabetes sind prinzipiell alle Kontrazeptiva möglich.“ Einschränkungen bestünden allerdings bei Kombination mehrerer kardiovaskulärer Risikofaktoren sowie mikrovaskulären Folgeerkrankungen.
ICD-Codes: Z30.
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