ENDODAYS 2021

Gyn-Depesche 6/2021

Schmerzliche Erfahrung

Dyspareunie, Appetenz und nicht zuletzt Schäden an den Reproduktionsorganen bedingen bei vielen Frauen mit Endometriose eine Infertilität. Wann aber sollten niedergelassene Gynäkologen Patientinnen mit sexuellen Funktionsstörungen an einen Experten überweisen? Und welche therapeutischen Maßnahmen sind bei endometriosebedingter Sterilität überhaupt sinnvoll?
Zum zweiten Mal trafen sich Gynäkologen, Reproduktions- und Sexualmediziner im Rahmen der ENDODAYS des Fortbildungskolleg München unter wissenschaftlicher Leitung von Prof. Sylvia Mechsner, Leiterin des Endometriose-Zentrums der Charité Berlin. Das Vorgehen bei Infertilität in Zusammenhang mit der Endometriose war auch diesmal eines der zentralen Themen.
 
Dyspareunie – der „falsche Bettgenosse“
Neben der Begutachtung der reproduktiven Organe sowie des Hormonstatus ist es vor Einleitung einer Infertilitätstherapie essenziell, die Qualität und Häufigkeit des Geschlechtsverkehrs zu erfragen, um sexuelle Funktionsstörungen als Ursache der Unfruchtbarkeit auszuschließen. „Im ärztlichen Gespräch kommt das Thema Sexualität aber nur selten zur Sprache“, so die Erfahrung der Sexualmedizinerin Nicole Gehrmann von der Charité Berlin. Während viele Patientinnen erwarten, aktiv auf ihre Sexualität angesprochen zu werden, fehlt es auch Gynäkologen oft an sexualmedizinischen Kenntnissen, was dazu führt, dass die Zuständigkeit negiert oder die Beschwerden bagatellisiert werden.
Um den Ursachen der Dyspareunie (griech. „falscher Bettgenosse“) im Rahmen der Endometriose auf den Grund zu gehen, sei es wichtig, zwischen psychisch bedingten und organpathologisch bedingten Schmerzen zu unterscheiden, betonte Gehrmann. Ein Hinweis darauf, dass die Beschwerden psychischer Natur sind, ist unter anderem das situative Auftreten der Schmerzen (z. B. beschränkt auf bestimmte Arten der Stimulation). Allerdings handelt es sich in vielen Fällen um ein Zusammenspiel somatopsychischer Faktoren: Bereits die Erwartung des Schmerzes führt zu einer Verspannung der Beckenbodenmuskulatur, mindert die Lubrikation, was genitale Missempfindungen weiter intensiviert. Daraus können Libidoverlust und letztendlich die Vermeidung von Sexualität resultieren, teils mit gravierenden Folgen für die partnerschaftliche Intimität.
Wichtig ist Gehrmann zufolge auch, in Abstimmung mit der Patientin realistische Therapieziele zu definieren, die nicht in der kurzfristigen Erreichung vollständiger Schmerzfreiheit bestehen. Während bei körperlich bedingter Dyspareunie zahlreiche therapeutische Maßnahmen zur Verfügung stehen (Beckenbodentraining, multimodale Therapie, Osteopathie, Penetrations-Stophilfen), ist die Behandlung psychischer Faktoren oft vielschichtiger und erfordert einen Zeitaufwand, den niedergelassene Gynäkologen und Gynäkologinnen häufig nicht leisten können. Bei der Frage, welche Endometriose-Patientinnen mit sexuellen Funktionsstörungen von einer sexualmedizinischen Beratung profitieren könnten, sei nicht zuletzt die Intuition des behandelnden Gynäkologen gefragt, ergänzte Sylvia Mechsner. Dabei genüge bereits das Gefühl, mit den bekannten therapeutischen Optionen nicht weiterzukommen. Bei einer starken psychischen Komponente, die auch die Partnerschaft belastet, sollte aber in jedem Fall eine Überweisung an einen Experten erfolgen.
 
Schwanger werden und bleiben – alles schwerer bei Endometriose
Neben sexuellen Funktionsstörungen sind Tubenfunktionsstörungen sowie eine erniedrigte Eizellreserve durch wiederholte OPs und Endometriosezysten häufige Ursachen der endometrioseassoziierten Sterilität. „Weshalb auch laterale Endometrioseherde die Fruchtbarkeit mindern, ist noch nicht vollständig geklärt“, erklärte Dr. Julia Bartley, Leiterin der Reproduktionsmedizin und gynäkologischen Endokrinologie am Universitätsklinikum Magdeburg. Die momentan gängigste Theorie ist, dass eine erhöhte Makrophagenaktivität und proinflammatorische Faktoren infolge vermehrter Entzündungsprozesse das Milieu im Beckenboden verändern, was die Interaktion zwischen Oozyten und Spermien beeinträchtigt. Dass auch der Uterus bei der Entstehung der endometriosebedingten Infertilität eine Rolle spielen kann, wurde lange vernachlässigt. Allerdings konnten MRT-Studien des Reproduktionsmediziners Prof. Gerhard Leyendecker aus Frankfurt am Main zeigen, dass Adenomyose oft mit einer dyskoordinierten uterinen Peristaltik einhergeht, die den Spermien- und Embryonentransport sowie die Implantation stören kann.
In der Infertilitätstherapie von Endometriose-Patientinnen raten die kürzlich erneuerten Guidelines der European Society of Human Reproduction and Embryology (ESHRE) weiterhin davon ab, eine hormonelle Behandlung zur ovariellen Suppression zu verschreiben, um die Fruchtbarkeit zu verbessern. „Große Studien haben gezeigt, dass die Behandlung mit Gestagenen keinen Fertilitätsvorteil gegenüber unbehandelten Frauen bringt“, erläuterte Bartley. Auch die postoperative hormonelle Behandlung sei bei einem akuten Kinderwunsch reiner Zeitverlust. „Etwas anderes ist es, wenn der Kinderwunsch nicht direkt im Anschluss an die OP umgesetzt werden soll. Dann sind Gestagene wegen der niedrigeren Rezidivrate und der Schmerzbehandlung zur Überbrückung sehr sinnvoll.“
Bei der operativen Entfernung von Endometriosezysten ist zu beachten, dass dadurch nur die Wahrscheinlichkeit einer spontanen Schwangerschaft erhöht wird. Besteht eine Indikation zur IVF, muss vor der Zystenentfernung die Eizellreserve bestimmt werden und die Patientin zu den Risiken eines chirurgischen Eingriffs an den Ovarien aufgeklärt werden.
Bei leichter Endometriose kann eine ovarielle Stimulation und intrauterine Insemination die Chancen auf eine Schwangerschaft verbessern, wobei Bartley drei bis vier Inseminisationszyklen für sinnvoll hält. Bei schwerer Endometriose ist der Nutzen einer Insemination weniger gut belegt, jedoch müssten auch hier individuelle Patientinnenwünsche berücksichtigt werden. Künstliche Befruchtung sollte angeboten werden, wenn die Eileiter betroffen sind, ein niedriger Endometriose-Fertilitäts-Index (EFI) vorliegt oder andere Therapien erfolglos geblieben sind. Dabei sei es eine Fehlannahme, dass die Kinderwunschbehandlung die Progression der Endometriose fördert, so Bartley. „Natürlich gibt es aber immer wieder einzelne Patientinnen, bei denen sich die Endometriose durch die Behandlung rasch verschlechtert.“ Große Studien hätten einen Einfluss der Kinderwunschbehandlung auf die Endometriose aber widerlegt.
Doch die Endometriose mindert nicht nur die Chancen auf einen Schwangerschaftseintritt, auch die Schwangerschafts-Komplikationen sind bei betroffenen Frauen häufiger. Laut einer dänischen Kohortenstudie von 2017 ist das Risiko einer Fehl- oder Frühgeburt sowie für Präeklampsie oder eine Sectio um das 1,5 bis 2-fache erhöht. Schwangere Endometriose-Patientinnen bedürfen daher einer besonders engmaschigen pränatalen Betreuung. RG

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