Psychisch vorbelastet?

Gyn-Depesche 5/2015

Sectio-Wunsch als Risikoanzeiger

In vielen Ländern wünschen Schwangere eine Entbindung per Sectio – auch wenn diese gar nicht indiziert ist. Möglicherweise könnte das aber ein Zeichen für bestehende psychische Probleme sein.

KOMMENTAR

Nach Prof. Harold Gee, ehem. Gynäkologe und Geburtshelfer in Birmingham, sollte die Entscheidung ohne Stigmatisierung gemeinsam mit der Patientin gefällt werden. Es sei nicht eindeutig belegt, dass eine Wunsch- Sectio risikoreicher ist als eine geplante vaginale Entbindung. Dr. Abigail Easter, Forscherin am National Childbirth Trust in London, hält es hingegen nicht für gerechtfertigt, den Eingriff als frei wählbare Option anzubieten. Vielmehr sollte man die Patientinnen ausführlich über die Risiken aufklären. Oft hielten Schwangere einen Kaiserschnitt fälschlicherweise für sicherer als eine vaginale Geburt. Frauen würden mehr von einer psychologischen Betreuung profitieren als von dem bloßen Ausführen ihres Wunsches.

Gee H, Easter A: Caesarian section should be available on request. Ebd. 359

Anhand von Registerdaten von über 64 800 Primiparae, die zwischen 2002 und 2004 entbunden hatten, untersuchten schwedische Forscher die Prävalenz psychiatrischer Diagnosen bis zu fünf Jahre vor der Geburt. Dabei unterschied man zwischen Frauen, die auf eigenen Wunsch per Sectio entbunden wurden, und allen anderen Geburtsmodi (1,6% vs. 84,9% mit vaginaler Geburt, 9% mit Notfall-Kaiserschnitt und 4,4% mit anderweitig begründeter Sectio).
Primiparae, die einen Kaiserschnitt wünschten, waren im Schnitt älter, häufiger Raucherinnen oder arbeitslos, hatten einen höheren BMI und somatische Diagnosen (35,3 vs. 25,7%). Sie wiesen außerdem auch öfter psychiatrische Diagnosen auf (10 vs. 3,5%; p<0,001). Am häufigsten waren neurotische, stressbedingte und somatoforme Störungen bei 5,9%, gefolgt von Gemütsstörungen bei 3,4% und Verhaltens- oder geistige Störungen durch psychoaktive Substanzen bei 2,1% (vs. 1,6%; 1,1% bzw. 0,9%). Das Vorliegen einer psychiatrischen Diagnose erhöhte die Wahrscheinlichkeit für einen Kaiserschnitt- Wunsch um das 2,5-fache. Für die einzelnen Diagnosen stieg die relative Wahrscheinlichkeit in obiger Reihenfolge um das 3,1- bzw. 2,4- und 1,8-fache.
Studien belegen, dass psychisch vorbelastete Frauen häufiger eine stark ausgeprägte Angst vor der Geburt haben („Tokophobie“). Möglicherweise ist ihnen deshalb eine Sectio lieber. OH

Quelle:

Sydsjö G et al.: Psychiatric illness in women requesting caesarean section. BJOG 2015; 122(3): 351-58

Alle im Rahmen dieses Internet-Angebots veröffentlichten Artikel sind urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, auch Übersetzungen und Zweitveröffentlichungen, vorbehalten. Jegliche Vervielfältigung, Verlinkung oder Weiterverbreitung in jedem Medium als Ganzes oder in Teilen bedarf der schriftlichen Zustimmung des Verlags.

x