Nur Sectiones bzw. normale Geburten im Vergleich

Gyn-Depesche 3/2011

Stressinkontinenz- oder Prolaps-OP: Wie hoch sind die Raten?

Mitglieder mehrerer Abteilungen der Karolinska-Universität in Stockholm waren an einer großen Kohortenstudie beteiligt, bei der Frauen, die jedes ihrer Kinder per Kaiserschnitt zur Welt gebracht hatten, mit Müttern verglichen wurden, die nur vaginal entbunden hatten. Die Untersuchung liefert Daten für einen Aspekt der Aufklärung über Vor- und Nachteile beider Entbindungsarten für Mutter und Kind.

Fast jede fünfte Frau in den USA leidet an Symptomen von Harninkontinenz oder Vorfall der Beckenorgane (POP). Die Therapien sind überwiegend chirurgischer Art. Nach regionalen US-Studien beträgt das Lebenszeitrisiko für Chirurgie we­gen SUI (stress urinary incontinence) oder wegen POP 11%.

Vor einer Schwangerschaft liegen selten entsprechende Symptome vor. Eine Geburt gilt weithin als etablierter Risikofaktor. In den USA kam 2006 jedes dritte Kind per Sectio zur Welt; ein zunehmender Teil der Kaiserschnitte erfolgt auf Wunsch der Mutter. Das hat multifaktorielle Ursachen, z. T. spielt vielleicht die Furcht vor den Folgen einer vaginalen Geburt für den Beckenboden mit.

Laut mehreren epidemiologischen Studien verringert eine Sectio das Inkontinenz-Risiko nach der Geburt signifikant; es ist aber strittig, ob sie solchen Störungen später im Leben vorbeugt. Ein Kaiserschnitt ist ein großer Eingriff und Studien lassen vermuten, dass die Wirkung auf SUI mit der Zeit nachlässt und nach mehreren Entbindungen ganz verschwindet. Ob Sectio nachhaltig vor POP schützt, ist nicht geklärt.

Im schwedischen Geburtenregister (seit 1973) wurde nach allen Frauen gesucht, die ihr erstes Kind von 1973 bis 1982 per Sectio bekamen und, so es Geschwister gab, diese ebenso entbunden wurden. Für jede von ihnen wurden nach dem Zufallsprinzip zwei weitere desselben Jahrgangs ausgewählt, die ihr erstes Kind im gleichen Jahr durch vaginale Geburt zur Welt brachten und auch alle weiteren Kinder. Die Daten ließen sich mit denen eines Registers von Klinikentlassungen verknüpfen (ab 1987 alle erfasst). Bis 2004 wurden die Codes der schwedischen Klassifikation für Operationen und schwerwiegendere Maßnahmen ausgewertet – für Eingriffe wie Kelly-Naht, Kolposuspension nach Burch, TVT etc. bzw. Eingriffe wegen POP bis hin zur Hysterektomie.

Als mögliche Stör- und Einflussfaktoren wurden u. a. das Alter bei der ersten und letzten Geburt erfasst, die Parität, ein Diabetes vor oder in der Schwangerschaft, Geburtsgewicht und Kopfumfang.

Das mittlere Follow-up betrug in der Sectio-gruppe (n = 30 880) 26,9 Jahre, in der der vaginalen Geburten (n = 60 122) 25,9. Es kam in 0,6 bzw. 3,4% zu SUI- und POP-OPs.

Die unkorrigierten Hazard Ratios für SUI-Operationen stiegen von 2,1 nach der ersten vaginalen Geburt auf 4,5 bei Frauen mit drei oder mehr Entbindungen. Der HR-Wert für Eingriffe wegen POP betrug nach einem vaginal geborenen Kind 7,6; nach drei oder mehr lag er bei 20, 7. Durch Korrektur um das Alter der Mutter und geburtshilfliche Variab­len wurden die Risikoschätzungen für SUI-Operationen noch höher, blieben hingegen bei POP weitgehend gleich.

Das SUI-Risiko bei Frauen mit Vakuumextraktion war geringer als bei normaler Entbindung. Dies könnte z. T. eine insgesamt niedrigere Geburtenrate erklären. Bei Zangengeburten fand sich im Vergleich zu Sectio ein 20fach erhöhtes Risiko von POP-Operationen.

Nach vaginaler Geburt stiegen die OP-Inzidenzen über fast drei Dekaden stetig an. Nach Sectio nahm die SUI-OP-Rate langsam zu; die von POP änderte sich sehr wenig.

Ihre Daten, so die Autoren, unterstützen die Auffassung nicht, dass die erste vaginale Entbindung entscheidend für die Folgen ist. Sie sprechen dafür, dass jede weitere Geburt Traumen hinzufügt. Das Austragen eines Kindes erscheint zudem für Beckenbodenstörungen weniger wichtig als die Geburt.

Dass Zangengeburten der Funktion des N. pudendus schaden können, ist bekannt. Im MRT zeigten sich auch höhere Risiken für den M. levator ani. Die günstigen Ergebnisse bei Vakuumextraktion könnten auf den gesteuerten Durchtritt des Kopfes zurückzuführen sein.

Daten zu Maßnahmen wie Dammschutz oder Oxytocin-Infusion waren nicht verfügbar. Da die Studie ein Geburtenregis­ter nutzte, war kein Vergleich mit Nulli­parae möglich. Auch Faktoren wie BMI oder anstrengende Arbeit wurden nicht erfasst, und es war nicht festgehalten, ob vor einer Sectio Wehen stattgefunden hatten oder nicht.

Das Potenzial von Sectiones, das Risiko von Beckenbodenstörungen zu vermindern, muss gegen die mütterliche und neonatale Morbidität bei mehreren Kaiserschnitten abgewogen werden. Entsprechend ausgewogen sollten die Schwangeren über Vor- und Nachteile beider Entbindungsarten für Mutter und Kind aufgeklärt werden. SN

Quelle: Leijonhufvud A et al.: Risks of stress urinary incontinence and pelvic organ prolapse surgery in relation to mode of childbirth, Zeitschrift: AMERICAN JOURNAL OF OBSTETRICS AND GYNECOLOGY, Ausgabe 204 (2011), Seiten: 70.e1-e.7
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