Gyn-Depesche 1/2020

Verschreibungsverhalten auf dem Prüfstand

Die Adipositas-Prävalenz steigt weltweit an. Deshalb stellt sich in der gynäkologischen Praxis auch zunehmend die Frage, welche kontrazeptive Methode man adipösen Frauen am besten anbietet. Diese Entscheidung ist wegen der unterschiedlichen Vorlieben der Patientinnen und der unterschiedlichen Risikoprofile der Kontrazeptiva nicht ganz banal. Wie damit „in praxi“ von Gynäkologen umgegangen wird, zeigte nun eine schwedische Studie.
Es wurden 371 adipöse und 744 normalgewichtige Frauen zwischen 18 und 40 Jahren eingeschlossen. Beide Gruppen waren bzgl. weiterer relevanter Faktoren ausgeglichen. Folgende Werte wurden aus den Krankenakten der Jahre 2010 bis 2014 entnommen: Basisvariablen, verschriebene kontrazeptive Methode, Nebenwirkungen, Dauer der Anwendung, Grund für Absetzen und Blutungsmuster.
Adipösen Frauen wurden überwiegend Gestagen-only-Pillen verschrieben (44 vs. 20 %), normalgewichtige Patientinnen erhielten überwiegend KOK (kombinierte orale Kontrazeptiva; 60 vs. 21 %; beide p < 0,001). Dabei wurden in 32 vs. 25 % der Fälle die Methoden nach spätestens einem Jahr wieder abgesetzt (p < 0,003). Blutungsprobleme wurden als Ursache hierfür am häufigsten angegeben (14,7 vs. 9,6 %; siehe Abbildung).
Europäische und schwedische Leitlinien sehen vor, dass KOK bei adipösen Frauen mit Vorsicht zu verschreiben sind. Insofern sind diese Ergebnisse bemerkenswert, denn während 44 % der Adipösen Gestagen-Pillen erhielten, wurden immerhin 21 % KOK verschrieben – eine überraschend hohe Zahl, so die Autoren, insbesondere da die entsprechende Leitlinienveröffentlichung in Schweden vor dem Start der Studie erfolgte und für die KOK-Verordnung eine „scharfe“ BMI-Obergrenze von 30 kg/m2 definierte. Immerhin, andere Verfahren wie Cu-IUD, DMPA und Implantate wurden bei adipösen Patientinnen häufiger als bei normalgewichtigen verschrieben.
 

 

Adipöse Patientinnen setzten ihre Kontrazeption häufiger innerhalb des ersten Jahres ab als dies in der Kontrollgruppe der Fall war. Das mag an einem niedrigeren sozioökonomischen Status gelegen haben, der in früheren Studien für vorzeitiges Absetzen verantwortlich gemacht wurde, so die Autoren. Außerdem wurden Adipösen häufiger DMPA-Methoden verschrieben, was ein Zeichen dafür sein könnte, dass sich Gynäkologen bei der Gruppe der adipösen Patientinnen generell schwerer tun, ein adäquates kontrazeptives Verfahren zu finden. CB
Quelle: Sundell M et al.: Patterns of prescription and discontinuation of contraceptives for Swedish women with obesity and normal-weight women. Eur J Contracept Reprod Health Care 2019; 24: 192-7
ICD-Codes: Z30.

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