In der 2019 veröffentlichten ORIP-Studie hatten 5.544 Schwangere randomisiert entweder dreimal täglich eine DHA-angereicherte Fischöl-Kapsel, entsprechend etwa 800 mg Docosahexaensäure (DHA) plus 100 mg Eicosapentaensäure (EPA), oder Plazebo erhalten. In eine zweite Auswertung derselben Studie gingen nur die 5.070 Frauen ein, bei denen eine Einlingsschwangerschaft vorlag und bei denen zu Beginn aus getrocknetem Kapillarblut der Fettsäurestatus bestimmt wurde.
Bei den Frauen, die kein Fischöl bekommen hatten, zeigte sich: Je geringer der Gehalt an mehrfach ungesättigten Fettsäuren im Blut, desto höher war das Risiko für eine Frühgeburt vor der 34. SSW. Diese Assoziation galt sowohl für die Gesamtheit der Omega-3-Fettsäuren, für EPA und DHA als auch für DHA alleine – nicht aber für EPA alleine. Darüber hinaus konnten die Forscher belegen, dass eine Omega-3-Supplementation bei einem niedrigen Spiegel der drei relevanten Biomarker das Frühgeburtsrisiko signifikant reduzierte.
War der Spiegel dagegen schon zu Beginn hoch, stieg das Frühgeburtsrisiko bei einer zusätzlichen Einnahme. Die deutlichste Assoziation fand sich mit dem Omega-3-Status. Lag dieser unter 4,1 % des Gesamtfettsäuregehalts, so sank das relative Risiko für eine frühe Frühgeburt bei einer Supplementation um 77 %. Bei einem Omega-3-Anteil von über 4,9 % im ersten Trimenon stieg durch die Einnahme das Frühgeburtsrisiko allerdings auf mehr als das Doppelte.
Für die Praxis ergeben sich daraus zwei Schlussfolgerungen. Zum einen kann die Bestimmung des Omega-3-Status bei Einlingsschwangeren offenbar helfen, Frauen mit einem erhöhten Frühgeburtsrisiko zu identifizieren, die von einer entsprechenden Supplementation am ehesten profitieren. Zum anderen sollte man Schwangeren dringend von einer eigenmächtigen Einnahme von Fischöl-Kapseln abraten, da diese bei einer bereits a priori guten Versorgung potenziell eher Schaden anrichtet. Den kritischen Omega-3-Gehalt von über 4,9 % wies in der ORIP-Studie fast die Hälfte der Teilnehmerinnen auf. CW