Vorderer Kreuzbandriss

Gyn-Depesche 3/2018

Warum sind Frauen besonders gefährdet?

Das Risiko für einen vorderen Kreuzbandriss (VKB-Ruptur) ist bei Frauen drei- bis sechsmal so hoch wie bei Männern. Die hormonellen Schwankungen des weiblichen Zyklus stehen im Verdacht, das Rupturrisiko zu erhöhen, allerdings ohne schlüssige Beweise.
Laborstudien haben gezeigt, dass die Exposition des VKB gegenüber Estradiol zu einer dosisabhängigen Reduktion von Fibroblasten und Kollagensynthese führt, und dass dieser Effekt durch die Zugabe von Gestagenen verstärkt wird. Zu den Hormonen, die im Verdacht stehen, bei Frauen das VKB-Rupturrisiko zu erhöhen, zählt auch Relaxin. Das Hormon wird von den Ovarien und der Plazenta gebildet und sorgt bei Schwangeren und Gebärenden für die notwendige Lockerung der Schambeinsymphyse. Eine kleine Studie an Leistungssportlerinnen zeigte, dass ein Relaxinspiegel über 6 pg/ml mit einem vierfach erhöhten VKB-Rupturrisiko einherging.
Eine systematische Metaanalyse von 21 kontrollierten und nicht-kontrollierten Studien mit insgesamt 68 658 Teilnehmerinnen kam nun zu folgenden Ergebnissen:
Vier von fünf Studien an Frauen, die keine hormonellen Kontrazeptiva verwendeten, zeigten, dass das VKB-Rupturrisiko in der Lutealphase am niedrigsten ist. Zwei Studien hoher Qualität und Fallzahl erbrachten Hinweise darauf, dass hormonelle Kontrazeption das Risiko um fast 20% senkt.
Sechs von zwölf Studien zur VKB-Laxität waren für die Metaanalyse geeignet, die eine signifikant erhöhte Laxität während der Ovulations- im Vergleich zur Follikelphase ergab.
Die Metaanalyse scheint die These zu bestätigen, dass Hormonschwankungen das VKB-Rupturrisiko erhöhen. Der anhand des GRADE- Systems errechnete „level of evidence“ für diese Schlussfolgerung jedoch betrug nur IV (Grading of Recommendations Assessment, Development and Evaluation). Das heißt: niedrigste Stufe, oder mit den Worten der GRADE Working Group: „Wir haben sehr wenig Vertrauen in den geschätzten Effekt: Es ist wahrscheinlich, dass sich der wirkliche Effekt substanziell vom geschätzten unterscheidet.“ TH
Quelle: Herzberg SD et al.: The effect of menstrual cycle and contraceptives on ACL injuries and laxity. A systematic review and meta-analysis. Orthop J Sports Med 2017; 5: 2325967117718781
ICD-Codes: S83.5

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