15. Kongress für Infektionskrankheiten und Tropenmedizin 16.–19. Juni 2021

Praxis-Depesche 11/2021

Wenn gegen Gonokokken nichts mehr hilft

Die Zahl der Antibiotika, die bei einer Gonokokken-Infektion effektiv sind, nimmt weiter ab. Nachdem im Jahr 2018 drei Fälle von Gonorrhö mit ausgeprägter Antibiotikaresistenz und Therapieversagen aufgetreten sind, hat der Erreger den Status „Super Bug“ erhalten. Seit vergangenem Jahr besteht nun eine bundesweite Meldepflicht.
Die Weltgesundheitsorganisation nahm das Bakterium Neisseria gonorrhoeae in ihren Katalog der „high-priority pathogens“ auf, in dem sie Erreger listet, für die neue Therapieoptionen dringend notwendig sind. „Wir stehen heute der Gefahr eines multiresistenten N. gonorrhoeae gegenüber, den wir potenziell nicht mehr behandeln können“, warnte Susanne Buder vom Konsiliarlabor für Gonokokken am Vivantes Klinikum in Berlin-Neukölln.
In Großbritannien sind Azithromycinunempfindliche Isolate, darunter auch High-Level-Resistenzen, mittlerweile weit verbreitet. Auch in Deutschland wurde über die letzten Jahre ein stufenweiser Anstieg der Rate Azithromycin-resistenter Isolate beobachtet, mit etwa 12 % ist die Situation hierzulande aber insgesamt günstiger.
Die Zahl der Cefixim-Resistenzen ist über die letzten fünf Jahre zurückgegangen, was vor allem daran liegt, dass das Antibiotikum im ambulanten Bereich kaum verfügbar war. Seit Anfang dieses Jahres ist es nun wieder erhältlich und wird vermehrt eingesetzt. Buder wies allerdings darauf hin, dass es sich bei Cefixim um eine generell unsichere Therapieoption handelt, da es im Pharynx – einem wichtigen Infektionsreservoir – nur niedrige Spiegel erreicht. Die Rate der Ceftriaxon- Resistenzen ist über die vergangenen Jahre stabil auf einem niedrigen Niveau geblieben (im Schnitt zwischen 0 % und 2 %). „Das heißt, wir können uns zumindest hierzulande auf Ceftriaxon als sicheres Therapeutikum verlassen“, so Buder. Für Aufsehen gesorgt hatten im Jahr 2018 jedoch drei Fälle mit extensiv-resistenten Gonokokken in Großbritannien und Australien, bei denen die Standardtherapeutika Ceftriaxon und Azithromycin nicht mehr wirksam waren. Die Infektionen konnten durch Gabe des Reserveantibiotikums Ertapenem erfolgreich behandelt werden.
Um das Resistenzgeschehen besser überwachen zu können, besteht seit Anfang 2020 in Deutschland eine Labormeldepflicht für Infektionen mit N. gonorrhoeae mit verminderter Empfindlichkeit oder Resistenz gegenüber Ceftriaxon, Cefixim oder Azithromycin.
 
Aktuelle Therapieempfehlungen
Die 2019 zuletzt aktualisierte Leitlinie der Deutschen STI-Gesellschaft zur Förderung der Sexuellen Gesundheit (STI: sexuell übertragbare Infektionen) rät bei Patienten und Patientinnen mit urogenitaler, pharyngealer oder rektaler Gonorrhö und unbekannter Therapieadhärenz zu einer Behandlung mit täglich 1–2 g Ceftriaxon i.v. plus 1,5 g Azithromycin p. o. Bei Infizierten mit gesicherter Adhärenz, etwa im Rahmen einer HIV-Sprechstunde oder der Schwangerschaftsvorsorge, kann eine Monotherapie mit Ceftriaxon verordnet werden. Nach Testung bei bekanntem Empfindlichkeitsprofil und sicherer Adhärenz können alternative Regime eingesetzt werden, darunter mittlerweile wieder die Chinolon- Antibiotika Ciprofloxacin und Ofloxacin (trotz Rote-Hand-Brief).
 
Neuentwicklungen erforderlich
Sollten die genannten Therapieoptionen versagen, gebe es bislang nur wenige Alternativen, so Buder. Als Reserveantibiotikum steht das Carbapenem Ertapenem zur Verfügung. Die Autoren einer aktuellen Studie aus Spanien ziehen außerdem Meropenem als potenzielle Salvage- Therapie in Betracht. Untersucht wurden darüber hinaus Solithromycin und Temocyclin, die sich in der Behandlung der Gonorrhö allerdings als enttäuschend erwiesen haben. Auch die Derivate bekannter Antibiotika haben sich in klinischen Studien als großteils wenig sinnvoll herausgestellt. Von den älteren Medikamenten ist das Aminoglykosid Gentamicin eine Option, dessen Nachteile jedoch häufige Nebenwirkungen und ein Therapieerfolg von lediglich 85 % bis 90 % sind. RG

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