Gyn-Depesche 5/2003

Die Diagnose braucht ein festes Fundament

"Ich hatte als frischgebackene Ärztin Wochenenddienst und sah mir eine 19-Jährige an; sie war in der 32. SSW. Seit drei Tagen litt sie unter schnupfenartigen Symptomen und bekam keine Luft. Mein Oberarzt hatte einen viralen Atemwegs-Infekt diagnostiziert. Ihre Eltern erklärten, sie sei immer gesund gewesen, abgesehen von einem herzchirurgischen Eingriff als kleines Kind (da sei ein Loch im Herzen verschlossen worden). Die Untersuchung war o. B., auch EKG und Blutgase normal. In Absprache mit dem Oberarzt ließ ich sie heim. Zwei Tage später wurde sie im kardiogenen Schock eingeliefert. Sie hatte eine schwere Kardiomyopathie. Kindliche Herztöne fehlten. Man brachte ein totes Kind zur Welt, aber die Frau überlebte. Zu dieser Tragödie hatten mehrere Fehler geführt. Ich verließ mich auf die Krankengeschichte aus dem Mund der Eltern der Patientin. Ihr geburtshilfliches Team müsste ja wohl ihre kardiale Diagnose gekannt und Einblick in ihre Unterlagen gehabt haben, dachte ich. Mein Oberarzt, der die Patientin und ihre Familie kannte, beeinflusste mich mit seiner optimistischen Haltung. Sie sei etwas unreif und suche nach Aufmerksamkeit, hatte er angemerkt. Und ich hatte keinen pathologischen Befund erhoben. Bei der Patientin war im Kindesalter "nur" ein Vorhofseptumdefekt verschlossen worden, aber postoperativ war es zu Myokarditis und Kardiomyopathie gekommen. Später war sie nie mehr kardiologisch untersucht worden. Heute gehe ich bei solchen Patienten unerbittlich gründlich vor, und meine Hemmschwelle gegenüber apparativen Untersuchungen ist niedriger geworden."

"Ich hatte als frischgebackene Ärztin Wochenenddienst und sah mir eine 19-Jährige an; sie war in der 32. SSW. Seit drei Tagen litt sie unter schnupfenartigen Symptomen und bekam keine Luft. Mein Oberarzt hatte einen viralen Atemwegs-Infekt diagnostiziert. Ihre Eltern erklärten, sie sei immer gesund gewesen, abgesehen von einem herzchirurgischen Eingriff als kleines Kind (da sei ein Loch im Herzen verschlossen worden). Die Untersuchung war o. B., auch EKG und Blutgase normal. In Absprache mit dem Oberarzt ließ ich sie heim. Zwei Tage später wurde sie im kardiogenen Schock eingeliefert. Sie hatte eine schwere Kardiomyopathie. Kindliche Herztöne fehlten. Man brachte ein totes Kind zur Welt, aber die Frau überlebte. Zu dieser Tragödie hatten mehrere Fehler geführt. Ich verließ mich auf die Krankengeschichte aus dem Mund der Eltern der Patientin. Ihr geburtshilfliches Team müsste ja wohl ihre kardiale Diagnose gekannt und Einblick in ihre Unterlagen gehabt haben, dachte ich. Mein Oberarzt, der die Patientin und ihre Familie kannte, beeinflusste mich mit seiner optimistischen Haltung. Sie sei etwas unreif und suche nach Aufmerksamkeit, hatte er angemerkt. Und ich hatte keinen pathologischen Befund erhoben. Bei der Patientin war im Kindesalter "nur" ein Vorhofseptumdefekt verschlossen worden, aber postoperativ war es zu Myokarditis und Kardiomyopathie gekommen. Später war sie nie mehr kardiologisch untersucht worden. Heute gehe ich bei solchen Patienten unerbittlich gründlich vor, und meine Hemmschwelle gegenüber apparativen Untersuchungen ist niedriger geworden."

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