GynDepesche-Interview

Gyn-Depesche 1/2024

„Abtreibungsmythen haben einen großen Einfluss“

Im November 2023 haben Dr. med. Alicia Baier und Dr. med. Anna-Lisa Behnke den Artikel „Barriers to abortion provision: A qualitative study among medical students and gynecologists in Berlin, Germany“ in der Zeitschrift Contraception veröffentlicht. Die qualitative Studie untersucht Einstellungen von Medizinstudierenden und Gynäkolog:innen zum Schwangerschaftsabbruch. Seit einigen Jahrzehnten gibt es hierzu aus Deutschland kaum Forschung. Vor dem Hintergrund der abnehmenden Zahl von Einrichtungen, die Abbrüche durchführen, identifizieren Baier und Behnke potenzielle Barrieren, die Ärzt:innen von der Durchführung von Abbrüchen abhalten. Dr. med. Alicia Baier und Dr. med. Anna-Lise Behnke sind beide in der Interdisziplinären Nachwuchsgruppe Politiken der Reproduktion (PRiNa) an der Justus-Liebig-Universität Gießen engagiert, welche dem Graduiertenzentrum für Sozialwissenschaften, Wirtschaft und Recht (GGS) angehört.

Hintergrund

Im Jahr 2022 wurden 104.000 Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt. Zwischen 2003 und 2022 ging die Gesamtzahl der Einrichtungen, die Schwangerschaftsabbrüche anbieten, um 46 % zurück (von 2.050 auf 1.110 Einrichtungen). Im gleichen Zeitraum ging die absolute Zahl der Schwangerschaftsabbrüche nur um 19 % zurück, während die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche pro Person stabil blieb (62 Schwangerschaftsabbrüche pro 10.000 Frauen im gebärfähigen Alter). Der Zugang zu medizinischer Versorgung für Frauen, die abtreiben möchten, ist somit schwieriger geworden. 80 % der Eingriffe finden in ambulanten Einrichtungen statt, nur 20 % in gynäkologischen Kliniken.

Porträt von Dr. Alicia Baier
Dr. med. Alicia Baier ist Ärztin in Weiterbildung im Bereich Gynäkologie im Auguste-Viktoria-Klinikum in Berlin, darüber hinaus engagiert sie sich als Vorsitzende und Gründungsmitglied von Doctors for Choice Germany e. V. für das Thema Reproduktive Gesundheit. Sie forscht zum Thema Perspektiven von Mediziner:innen zum Schwangerschaftsabbruch und ist Fachbeirätin der GynDepesche.

Interview mit Dr. med. Alicia Baier, Ärztin in Weiterbildung im Bereich Gynäkologie im Auguste-Viktoria-Klinikum in Berlin und Fachbeirätin der GynDepesche

Frau Dr. Baier: Wen haben Sie für Ihre Studie befragt?

Wir haben für unsere Studie semistrukturierte Interviews mit vierzehn Medizinstudierenden der Charité und vier Ärzt:innen geführt. Die Medizinstudierenden kamen aus unterschiedlichen Semestern, drei waren männlich, elf weiblich. Unter den Ärzt:innen waren drei Gynäkologinnen und eine Ärztin in Weiterbildung zur Gynäkologie; zwei von ihnen führten Schwangerschaftsabbrüche durch, zwei nicht.

War die Bereitschaft, über dieses Thema zu sprechen, gegeben, oder war die Rekrutierung schwierig?

Insbesondere unter den Ärzt:innen war : die Bereitschaft sehr gering. Wir kontaktierten über 50 niedergelassene Berliner Gynäkolog:innen, von denen keine:r zu einer Teilnahme bereit war. Letztendlich rekrutierten wir die vier teilnehmenden Ärzt:innen über das „ Schneeballprinzip“: Uns bekannte Gynäkolog:innen suchten in ihrem Bekanntenkreis, die wiederum in ihrem Bekanntenkreis herumfragten. Die niedrige Antwortrate kann man sicherlich als Ausdruck des Tabus von Schwangerschaftsabbrüchen werten.

Lesen Sie den ganzen Artikel

Fachgruppen-Login


Zugangsdaten vergessen?

Alle im Rahmen dieses Internet-Angebots veröffentlichten Artikel sind urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, auch Übersetzungen und Zweitveröffentlichungen, vorbehalten. Jegliche Vervielfältigung, Verlinkung oder Weiterverbreitung in jedem Medium als Ganzes oder in Teilen bedarf der schriftlichen Zustimmung des Verlags.

x