Pränatale Zeichen

Gyn-Depesche 6/2022

Beckenbodenschwäche schon während der Schwangerschaft im Blick haben

Frauen, die ihr erstes Kind vaginal zu Welt bringen, klagen in den folgenden Jahren häufiger über Beckenbodenbeschwerden als Frauen nach Kaiserschnittgeburt. Die stärkere Symptombelastung zeichnet sich allerdings bereits während der Schwangerschaft ab.
Die Vaginalgeburt stellt einen Risikofaktor für eine spätere Harn- oder Stuhlinkontinenz sowie für eine Senkung der Beckenorgane dar. Allerdings begünstigen auch noch andere Faktoren wie die Genetik, höheres Alter oder der Lebensstil eine Beckenbodendysfunktion. Ein Forschungsteam aus Oslo ging nun der Frage nach, ob sich bereits vor der ersten Geburt einer Frau Anzeichen für eine spätere Beckenbodenschwäche finden lassen. An der Longitudinaluntersuchung nahmen 300 Erstgebärende mit einer Einlingsschwangerschaft teil. Im Gestationsalter von 21 und 37 Schwangerschaftswochen sowie 6 Wochen, 6 Monate, 12 Monate und 8 Jahre nach der ersten Geburt befragten die Forschenden die Frauen mithilfe des „International Consultation on Incontinence Questionnaire“ zu vaginalen Beschwerden sowie zu Problemen mit der Harn- und Stuhlkontrolle.
An der Befragung nach 8 Jahren nahmen 193 Frauen teil: 133 hatten das erste Kind per Spontangeburt und je 30 per vaginal-operativer bzw. Kaiserschnittgeburt zur Welt gebracht. In allen drei Geburtsmodusgruppen stellten die Forschenden im Beobachtungszeitraum zwischen 12 Monaten und 8 Jahren eine Zunahme der Beckenboden-Symptomscores fest. Die vaginal entbundenen Frauen schnitten diesbezüglich schlechter ab als die per Sectio entbundenen Frauen, dieser Unterschied war allerdings im Wesentlichen statistisch nicht signifikant. Die Forschenden stellten ferner fest, dass die später vaginal entbundenen Frauen bereits während der Schwangerschaft über zunehmende Beckenbodensymptome, insbesondere eine Harninkontinenz und vaginale Beschwerden, klagten. In der Kaiserschnittgruppe nahmen diese Beschwerden dagegen im Verlauf der Schwangerschaft zunächst ab. Ob eine Frau nach einer Geburt eine Beckenbodendysfunktion entwickelt oder nicht, hängt offenbar auch von der Beschaffenheit des Beckenbodens während der Gravidität ab, schlussfolgern die Forschenden. Weitere wissenschaftliche Untersuchungen müssen nun ihrer Ansicht nach diese Zusammenhänge genauer beleuchten. LO
Quelle: Siafarikas F et al.: Pelvic floor symptoms from first pregnancy up to 8 years after the first delivery: a longitudinal study. Am J Obstet Gynecol 2022; 227(4): 613.e1-613.e15. doi: 10.1016/j.ajog.2022.06.020

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