Beratungssituation - eine Patientin sitzt einer Ärztin gegenüber

Genetische Krebsdisposition

Gyn-Depesche 2/2022

BRCA-Trägerinnen zögern risikoreduzierende OP oft lange hinaus

Frauen mit einem positiven BRCA-Mutationstest haben die Möglichkeit, ihr Krebsrisiko durch eine Salpingo-Ovarektomie bzw. Mastektomie zu senken. Die Entscheidung für oder gegen eine solche OP fällt vielen Frauen schwer – auch, weil es kurzfristige physische und seelische Folgen, gegen den oft erst auf lange Sicht erkennbaren Wert eines niedrigeren Krebsrisikos abzuwägen gilt. In vielen Fällen werden die Eingriffe deshalb um mehrere Jahre hinausgezögert.
Frauen mit BRCA1-Mutationen wird geraten, sich bis zum Alter von 35 Jahren einer risikoreduzierenden OP zu unterziehen. Beim Nachweis von BRCA2-Mutationen sollte der Eingriff bis zum 40. Lebensjahr erfolgen. Obwohl eine solche OP das Risiko von Ovarial- bzw. Brusttumoren effektiv senkt, vergehen nach dem Gentest häufig mehrere Jahre bis der Eingriff auch tatsächlich durchgeführt wird. Zu diesem Ergebnis kam 2021 eine prospektive Studie unter Federführung der britischen Manchester University NHS Foundation Trust. Darin hatte man 887 Frauen ohne Krebserkrankung, jedoch mit positivem BRCA1- oder BRCA2-Mutationstest, für maximal 24 Jahre und im Schnitt sechs Jahre nachverfolgt.
 
Eine Lebensentscheidung, die Zeit braucht
20 Jahre nach dem positiven Gentestresultat hatte sich ein großer Teil der Probandinnen einer risikomindernden Operation unterzogen: Mehr als die Hälfte war mastektomiert (58 %) und vier von fünf Frauen waren an den Eierstöcken operiert worden (79 %). Mit zunehmendem Alter der Frauen stieg die Wahrscheinlichkeit einer Eierstockoperation, nicht jedoch die einer Brustoperation.
Die chirurgischen Eingriffe verringerten das Krebsrisiko signifikant: Nur eine von 100 mastektomierten Frauen erhielt im späteren Verlauf die Diagnose Mammakarzinom. Und bei keiner Frau, der die Ovarien entfernt worden waren, wurde im weiteren Follow-up ein Ovarialkarzinom festgestellt. Unerwartet war die Beobachtung, dass die Entfernung der Eierstöcke nicht das Mammakarzinom-Risiko verringerte. Da eine Ovarektomie die Östrogenproduktion zum Erliegen bringt, ging man bisher davon aus, dass sie auch das Brustkrebsrisiko der Frau reduziert.
Im Durchschnitt warteten die Frauen nach dem Gentest mehr als zwei Jahre, bevor sie sich einem risikoreduzierenden Eingriff unterzogen: Bei weniger als jeder zehnten Frau wurde die Brustoperation innerhalb von sechs Monaten durchgeführt (7 %). Der Zeitraum bis zum Eingriff reichte von einer Woche bis zu 15 Jahren. Operationen an den Eierstöcken erfolgten bei fast jeder dritten Frau innerhalb eines halben Jahres; die Spanne reichte jedoch von zwei Wochen bis zu 20 Jahren.
Zwar scheinen sich somit immer mehr Frauen für eine risikomindernde OP zu entscheiden, allerdings ist die Zeitspanne zwischen einem positiven Gentest und der Operation oft beträchtlich und die Eingriffe werden später vorgenommen als empfohlen. Eine angemessene Beratung und Diskussion brauchen Zeit, was die Verzögerung teilweise erklären könnte. Andere mögliche Gründe sind eine noch nicht abgeschlossene Familienplanung oder Bedenken hinsichtlich der chirurgischen Menopause.
Es sei jedoch wichtig, die zeitliche Verzögerung so gering wie möglich zu halten, warnen die Studienautoren. In Anbetracht der erwiesenen Effektivität sollten Frauen zu einer risikoreduzierenden OP ermutigt werden. RG
Quelle: Marcinkute R et al.: Uptake and efficacy of bilateral risk reducing surgery in unaffected female BRCA1 and BRCA2 carriers. J Med Genet 2022; 59(2): 133-40
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