Kongress FOKO

Gyn-Depesche 2/2021

Das junge Mädchen in der Gynäkologie

Eine gute gynäkologische Betreuung im Jugendalter kann den Weg in ein gesundes Leben ebnen. Im Rahmen des Fortbildungskongresses der BVF diskutierten Expert:innen die Früherkennung der oft folgenschweren Anorexie und Bulimie sowie Diagnostik und Therapie bei juvenilen Blutungsstörungen.
Gynäkologische Früherkennung: Anorexie und Bulimie
Bereits im Alter zwischen acht und zwölf Jahren hat jedes dritte Kind den Wunsch, abzunehmen. „Gerade diejenigen, die schon früh im Leben mit Diäten begonnen haben und eventuell durch die Eltern an diese herangeführt wurden, sind später wegen besonders schwerer Verläufe der Essstörung in stationärer Behandlung“, so die Erfahrung von Dr. Michael Stephan, Leitendem Oberarzt an der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie in Hannover. Entsprechend der Leitlinien appelliert er in der Früherkennung der Anorexia nervosa und der Bulimia nervosa an die Wachsamkeit der Gynäkolog:innen. Neben auffälligen Symptomen wie einem niedrigen Körpergewicht, Wachstumsstörungen, Zyklusunregelmäßigkeiten und Amenorrhoe müsse auch bei subtileren Beschwerden wie Darmträgheit und Obstipation an eine Essstörung gedacht werden. Auf eine Bulimia nervosa kann außerdem das „Russel- Zeichen“ hindeuten, eine Keratose der Fingergrundgelenke, hervorgerufen durch selbstinduziertes Erbrechen. Infolge der Körperschemastörung fallen anorektische und bulimische Patientinnen oft durch das Tragen weiter Kleidung im „Zwiebellook“ sowie eine verminderte Körperhygiene auf. Entgegen früherer Annahmen ist die häufig beobachtete körperliche Hyperaktivität nicht darauf zurückzuführen, dass die Patientinnen weiter abnehmen möchten, sondern eine Folge der Nahrungskarenz. Zur oralen Befriedigung dienen ständiges Kaugummikauen und die Aufnahme großer Mengen Light-Getränke.
Wird eine akute vitale Gefährdung im Rahmen der medizinischen Diagnostik ausgeschlossen bzw. handelt es sich um eine subsyndromale Essstörung, rät Stephan davon ab, Druck auf die Betroffenen auszuüben. „Zuerst sollte versucht werden, eine Behandlungsmotivation über eine engmaschigere Betreuung aufzubauen, sofern das im Rahmen der Praxistätigkeit möglich ist.“ Ultima Ratio sei die Zwangsbehandlung. „Davon sollte man aber Abstand nehmen.“ Eine sofortige stationäre Therapie sei bei einem BMI unter 14,5 nötig.
Es sei außerdem wichtig zu verstehen, dass die essgestörte Patientin ihre Erkrankung oft nicht als Problem sieht, sondern vielmehr als Lösung – ganz im Gegensatz zum:zur Behandler:in. Diese Ambivalenz müsse durch einen empathischen, wertungsfreien Umgang anerkannt werden, so Stephan abschließend.
 
Zyklusstörungen im Jugendalter
Zur juvenilen Dauerblutung kommt es typischerweise kurz nach der ersten Regelblutung. „Eine Hämophilie-Abklärung sollte vor allem dann erfolgen, wenn die Dauerblutung mit der Menarche einsetzt“, empfahl Prof. Patricia Oppelt, Universitäts- Frauenklinik Erlangen, in ihrem Vortrag zu Blutungsstörungen bei Adoleszentinnen.
Wesentlich für die differenzialdiagnostische Einordnung der juvenilen Dauerblutung seien außerdem die Bestimmung der Endometriumdicke, die Inspektion des äußeren Genitales sowie ein Schwangerschaftstest. Eine Hormonbasisdiagnostik ist laut Oppelt nicht aussagekräftig, in der Blutuntersuchung seien vor allem der Eisenstatus und eine mögliche Anämie relevant. „Bei einem hoch aufgebauten Endometrium schreiben die Lehrbücher zwar eine Therapie mit zyklischen Gestagenen vor, erfahrungsgemäß zeigt das aber wenig Erfolg.“ Oppelt rät stattdessen dazu, direkt mit kombinierten oralen Kontrazeptiva zu beginnen. Bei einem flachen Endometrium ist die zehntägige Östrogenmonotherapie indiziert, gefolgt von einem Kombinationspräparat für zwölf Tage, um ein Abbluten der Schleimhaut zu erreichen. Bei einer ausgeprägten Anämie sollte eine dreimonatige Kombinationstherapie folgen.
Patientinnen mit primärer Amenorrhoe könnten oft schon anhand ihres Pubertätsverlaufs diagnostisch gut eingeordnet werden, erklärte Oppelt weiter. So spricht etwa eine primäre Amenorrhoe bei ansonsten gesundem Körper- und Brustwachstum für eine Genitalfehlbildung. Bei Akne und Hirsutismus müsse eine Hyperandrogenämie abgeklärt werden, die häufigste endokrinologische Störung im fertilen Alter. Wachstumsstörungen und Untergewicht weisen dagegen auf eine Anorexie hin.
Der physiologische Beginn der Menarche sollte dabei weniger vom Alter der Patientin als vielmehr vom Zeitpunkt der Thelarche abhängig gemacht werden. Als Faustregel gilt: Die erste Blutung sollte innerhalb von zweieinhalb Jahren nach Beginn des Brustwachstums einsetzen. RG
ICD-Codes: N91.0

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