Ein Schwangerschaftsabbruch ist in Deutschland ein relativ häufiger Eingriff. Laut Statistischem Bundesamt werden derzeit pro Jahr etwa 100.000 Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt. Prinzipiell kann eine Schwangerschaft medikamentös oder operativ abgebrochen werden. Während in manchen anderen Ländern Leitlinien vorliegen, waren die medizinischen Verfahren und Vorgehensweisen bei Schwangerschaftsabbruch auf nationaler Ebene bisher nicht in einer evidenzbasierten Leitlinie geregelt.
Um dem abzuhelfen, wurde nun nach den Regularien der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V. (AWMF) die erste S2k-Leitlinie zu diesem Thema im deutschsprachigen Raum veröffentlicht. Erarbeitet wurde die Handlungsempfehlung unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e.V. (DGGG) und Beteiligung der Deutschen Gesellschaft für Psychosomatische Frauenheilkunde sowie zahlreicher weiterer Fachgesellschaften, Organisationen und Vereine. Dazu zählen u.a. der Berufsverband der Frauenärzte e.V. (BVF) und die Akademie Ethik in der Medizin e.V. (AEM) sowie die Bundesverbände donum vitae und pro familia.
Ziel dieser Leitlinie ist die Vereinheitlichung von Beratung, Durchführung und Nachsorge beim Schwangerschaftsabbruch in den ersten drei Schwangerschaftsmonaten, unabhängig von dessen Indikation, für den ambulanten und stationären Bereich. Die Empfehlungen richten sich an Ärztinnen und Ärzte, die selbst Schwangerschaftsabbrüche durchführen, und an jene Professionen, die in die Betreuung und Beratung von Frauen, die einen Schwangerschaftsabbruch durchführen lassen wollen, einbezogen sind.
Um betroffene Frauen zu befähigen, eine informative und selbstbestimmte Entscheidung zu treffen, ist der Zugang zu evidenzbasierten Informationen essenziell. Auch beteiligte Fachkräfte sollten die vorhandenen Informationsquellen kennen und bedürfnisgerecht anbieten können. Bevor ein Schwangerschaftsabbruch durchgeführt wird, sollte die Schwangerschaft und deren Dauer ärztlich festgestellt werden.
Grundsätzlich gilt ein Schwangerschaftsabbruch als sichere medizinische Behandlung. Ob eine Schwangerschaft medikamentös oder operativ beendet wird, sollte die Frau – nach Aufklärung über die unterschiedlichen Voraussetzungen und Folgen – nach den persönlichen Präferenzen entscheiden. Spezifischen Empfehlungen zur Durchführung und Nachkontrolle eines operativen und eines medikamentösen Schwangerschaftsabbruchs widmen die AutorInnen jeweils ein eigenes Kapitel. Nach operativen und medizinischen Verfahren wird eine frauenärztliche Nachuntersuchung empfohlen.
Auch eine Beratung zu individuellen Verhütungsmethoden sowie das rechtzeitige Erkennen von psychischen Problemen im Zusammenhang mit dem Schwangerschaftsabbruch werden thematisiert. „Ein Schwangerschaftsabbruch kann für Frauen eine seelische und körperliche Herausforderung darstellen. Umso wichtiger ist es, den Fachkräften und somit auch den betroffenen Frauen eine informative Beratung und evidenzbasierte Behandlung nach aktuell bestem medizinischem Wissen zu ermöglichen“, so Prof. Dr. Stephanie Wallwiener (Heidelberg), DGPFG-Leitlinienkoordinatorin.