Dr. med. Bernadett Eser

Interview

Gyn-Depesche 4/2023

Geburtshilfe in Afghanistan mit „Ärzte ohne Grenzen“

„Ärzte ohne Grenzen“ wurde 1971 in Frankreich mit dem Namen Médecins Sans Frontières (MSF) gegründet. Die deutsche Sektion entstand 1993. Das Netzwerk hat 26 Mitgliedsverbände und leistet in über 70 Ländern medizinische Nothilfe. Die Arbeit von MSF basiert auf den humanitären Prinzipien der Neutralität, Unabhängigkeit und Unparteilichkeit. Am Beispiel Afghanistan wird erkennbar, wie unerlässlich diese Prinzipien sind: Sie sind der Hauptgrund, warum die Arbeit vor Ort weitergeführt werden kann. Mit dem Ende der Kampfhandlungen im August 2021 hat sich die allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan etwas verbessert. Mehr Menschen erreichen wieder die Kliniken des MSF und können behandelt werden. Doch die zunehmende Armut und das nicht funktionierende Gesundheitssystem verschärfen die aktuelle humanitäre Krise in Afghanistan. MFS steht weiterhin in Kontakt mit der Regierung in Kabul und den anderen Provinzhauptstädten, in denen sie medizinische Projekte haben, und führt alle Aktivitäten fort. In den Projekten sind weiterhin sowohl afghanische als auch internationale weibliche Mitarbeiterinnen engagiert. Die MFS-Teams sind in sieben Provinzen im Einsatz und leisten dringend notwendige medizinische Hilfe. Von Januar bis Juni 2022 wurden in den MSF-Einrichtungen 21.143 Kinder geboren, 11.599 Menschen mit Masern behandelt, 6.466 chirurgische Eingriffe durchgeführt und 3.792 Menschen stationär gegen Mangelernährung behandelt.
Dr. med. Bernadette Eser
  • Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe
  • bis Februar 2023 als Oberärztin in der Geburtshilfe in München tätig
  • momentan zweiter Einsatz für „Ärzte ohne Grenzen“
  • Februar und März in Sierra Leone
  • seit April in Afghanistan in Khost
Frau Dr. Eser, warum haben Sie sich für die Arbeit mit MSF entschieden?

Ich wollte wieder mit und für Patientinnen arbeiten, wieder die Sinnhaftigkeit meiner Arbeit sehen, denn das war in den vergangenen Jahren in Deutschland immer mehr in den Hintergrund gerückt. Ich arbeite seit 2014 in deutschen Kliniken, hatte aber in letzter Zeit zunehmend das Gefühl, nicht mehr für die Patientin, sondern für irgendjemanden anderen zu arbeiten. Ich hatte mich von meiner Arbeit entfremdet und der intensive Patientinnenkontakt, der ja eigentlich den größten Teil der ärztlichen Arbeit ausmachen soll, fehlte mir sehr. Das mochte mit Sicherheit auch daran liegen, dass ich zuletzt als Oberärztin gearbeitet habe, dennoch fehlte mir etwas Grundsätzliches – etwas, was mich ursprünglich dazu motiviert hatte, Medizin zu studieren. Und dann habe ich mich an meinen Kindheitstraum zurückerinnert, einmal als Ärztin im Ausland tätig zu sein, dort, wo medizinische Hilfe dringend gebraucht wird.

Konnten Sie sich Ihren Einsatzort selbst aussuchen?

Nein, das konnte ich nicht. „Ärzte ohne Grenzen“ vergibt je nach Skills und Sprachkenntnissen den Einsatzort. Als ich für Afghanistan angefragt wurde, war ich etwas überrascht. Geschockt möchte ich nicht sagen, das waren eher meine Familie und meine Freunde. „Das nimmst du aber wohl nicht an, oder?“, war deren Reaktion. Seit der Machtübernahme der Taliban im August 2021 erreichen uns in Deutschland ja nur schlechte Nachrichten über dieses wunderschöne und außergewöhnliche Land mit seiner schrecklichen und traurigen Geschichte. Seitdem ich die Bücher „Drachenläufer“ und „Tee mit dem Teufel“ gelesen hatte, war ich fasziniert von Afghanistan und auch ein bisschen neugierig. Und so sagte ich zu.

Wie lange dauert Ihr Einsatz?

Drei Monate. Ich kam Anfang April hier an und werde Anfang Juli nach Deutschland zurückreisen. Wir haben sehr strenge Sicherheitsbedingungen und dür- fen das Krankenhausgelände, wo wir auch in einem separierten Bereich untergebracht sind, nicht verlassen. Neulich war ich zum ersten Mal nach zehn Wochen zur Erholung für ein paar Tage in Dushanbe (Hauptstadt von Tadschikistan). Ich durfte mich wieder frei bewegen, schwimmen, alles an Kleidung tragen, worauf ich im Sommer Lust habe, und auch mal ein Glas Wein trinken. Das war ein unglaubliches Gefühl!

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