Zwei Schwestern im Alter von 15 und 20 Jahren wurden wegen primärer Amenorrhoe, fehlender pubertärer Entwicklung und Kleinwuchs in der Klinik vorstellig. Es offenbarte sich ein normaler weiblicher Karyotyp (46, XX), aber eine komplette Ovardysgenesie.
Bei der älteren Schwester war im Alter von fünf Jahren eine AML diagnostiziert worden; nach der Therapie trat bisher kein Rezidiv auf. Ein Bruder der beiden verstarb an akuter Promyelozytenleukämie. Drei weitere Geschwister, zwei Mädchen und ein Junge, sowie die Eltern waren gesund.
Genanalysen ergaben bei den betroffenen Schwestern zwei heterozygote Mutationen im BRCA2-Gen, die zu einer stark verringerten Konzentration des kodierten Proteins führten. Durch den BRCA2-Funktionsverlust und die damit einhergehende eingeschränkte Reparaturfähigkeit von DNA-Doppelstrangbrüchen entwickelte sich eine Fanconi-Anämie vom Typ D1. Weitere typische Symptome des Chromosomenbruchsyndroms wie eine leicht ausgeprägte Mikrocephalie und einige Café-au-Lait-Flecken waren bei genauerer Betrachtung ebenfalls erkennbar.
Experimentelle Studien mit genmanipulierten Drosophila-Fliegen bestätigen die hohe Bedeutung von BRCA2 für die Ovarentwicklung: Eine homozygote Verlustmutation dieses Gens führte zur Gonadendysgenesie und Sterilität. Offenbar spielt die normale Reparatur von DNA-Doppelstrangbrüchen, wie sie bei der Meiose häufig vorkommen, eine entscheidende Rolle für die Entwicklung der Ovarien. CW