Glückliche Frau mit Schwangerschaftstest

Schwangerschaft nach seltenem Lebervenenverschluss

Gyn-Depesche 1/2022

Kontraindiziert? Von wegen!

Das Budd-Chiari-Syndrom und die Pfortaderthrombose sind seltene Manifestationen einer venösen Thromboembolie. Betroffenen Frauen wird häufig von einer Schwangerschaft abgeraten – zu Unrecht, wie neue Studiendaten aus den Niederlanden vermuten lassen.
Das Budd-Chiari-Syndrom
Definiert ist das Budd-Chiari-Syndrom als eine Obstruktion des hepatischen Venenabflusses, verursacht durch eine Thrombose der Lebervenen oder der proximalen Vena cava inferior. Prothrombotische Grunderkrankungen wie myeloproliferative Neoplasien, das Antiphospholipid- Syndrom oder eine familiär bedingte Thromboseneigung sind bei Patienten mit Budd-Chiari-Syndrom häufig. Gleichzeitig können eine hepatisch bedingte Koagulopathie, eine portale Hypertonie und gastrointestinale Varizen zu einem erhöhten Blutungsrisiko beitragen. Unabhängig von der Grunderkrankung besteht eine Indikation für eine Langzeit-Antikoagulation.
Da zum neonatalen und maternalen Outcome bei schwangeren Frauen mit Budd- Chiari-Syndrom oder Pfortaderthrombose noch kaum Studiendaten existieren – etwa hinsichtlich rezidivierender Thrombosen und Blutungen – gibt es bisher auch keinen Konsens zur optimalen Behandlungsstrategie. Entsprechend uneinheitlich ist die Beratungspraxis vor der Empfängnis. Viele Ärzte raten erkrankten Patientinnen von einer Schwangerschaft ab.
Hoffnung für betroffene Frauen mit Kinderwunsch machte nun eine multizentrische, retrospektive Kohortenstudie aus den Niederlanden: Forschende vom Universitätsklinikum Amsterdam University Medical Center beobachteten eine deutlich höhere Lebendgeburtenrate sowie eine niedrigere maternale und neonatale Morbidität als erwartet. Aus Patientenakten hatten die Forscher die Daten von 45 Frauen extrahiert, bei denen zwischen 2008 und 2021 eine oder mehrere Schwangerschaften nachgewiesen worden waren – darunter zwölf mit vorangegangener Diagnose eines Budd-Chiari- Syndroms sowie 33 mit Pfortaderthrombose. Bei etwa der Hälfte der Betroffenen lag eine prothrombotische Störung vor, 84 % erhielten während der Gravidität niedermolekulares Heparin.
Bei den insgesamt 19 ausgewerteten Schwangerschaften der Frauen mit Budd- Chiari-Syndrom lag die Lebendgeburtenrate bei 58 %. Niedriger war die Rate in der Subgruppe der Frauen mit Budd-Chiari- Syndrom als auch Portalvenenthrombose (40 %); höher bei ausschließlichem Vorliegen des Budd-Chiari-Syndroms (66 %). In der Gruppe der Frauen mit vorangegangener Portalvenenthrombose endeten 75 % der insgesamt 57 Schwangerschaften in einer Lebendgeburt. Nach dem ersten Trimester lag die Wahrscheinlichkeit einer Lebendgeburt bei 90 %.
Überraschend niedrig war die Rate an Thrombosen sowie Blutungen in der Gesamtkohorte: Dokumentiert wurden eine venöse und eine arterielle Thrombose sowie eine antepartale vaginale Blutung und zwei Varizenblutungen. Die Antikoagulation könne in diesem Patientinnenkollektiv demnach als wirksame Option zur Prävention schwangerschaftsbedingter rezidivierender venöser Thromboembolien angesehen werden, kommentieren die Autoren. Eine begleitende portale Hypertension hatte keinen Einfluss auf das Schwangerschaftsoutcome. Es wurden keine Fälle von maternalem oder perinatalem Tod registriert.
Die hohe Rate termingerechter Lebendgeburten in diesem Gesamtkollektiv sowie das unerwartet geringe Risiko schwangerschaftsbedingter Morbidität bei Mutter und Kind legen nahe, dass das Budd-Chiari- Syndrom und/oder eine Pfortaderthrombose nicht als absolute Kontraindikation für eine Schwangerschaft angesehen werden sollten, so die Autoren. Voraussetzung sei aber die engmaschige sowie die multidisziplinäre Betreuung der Schwangeren. RG
Quelle: Wiegers H et al.: Pregnancy outcomes in women with Budd-Chiari syndrome or portal vein thrombosis - a multicentre retrospective cohort study. BJOG 2021; doi: 10.1111/1471-0528.16915
ICD-Codes: I82.0
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