GynDepesche-Interview

Gyn-Depesche 6/2023

„Müttersterblichkeit durch unsichere Schwangerschaftsabbrüche wäre vollständig vermeidbar“

Die Gynäkologin Dr. Parnian Parvanta ist seit Juni 2023 Vorstandsvorsitzende von „Ärzte ohne Grenzen Deutschland“. Als Frauenärztin hatte sie 2017/2018 ihren ersten Einsatz in Nigeria, dann im April 2019 in der Elfenbeinküste und im Frühjahr und Winter 2022 noch einmal als Trainerin im Irak. Mit der GynDepesche sprach sie über eine neue Studie zur Lage von Frauen in Afrika, die von unsicheren Schwangerschaftsabbrüchen betroffen sind.

Aktuelle Studie

Rund 70 % der Todesfälle bei Müttern ereignen sich in den afrikanischen Ländern südlich der Sahara (1). Zu den fünf Hauptursachen gehören Komplikationen nach unsachgemäßen Schwangerschaftsabbrüchen – ein Bereich, in dem in den letzten Jahrzehnten kaum Fortschritte erzielt wurden. Die meisten dieser Todesfälle könnten durch umfassende medizinische Angebote, einschließlich sicherer Schwangerschaftsabbrüche, Nachsorge nach unsachgemäßen Abbrüchen und dem Zugang zu Verhütungsmitteln vermieden werden.(2)

Die AMoCo*-Studie, die von „Ärzte ohne Grenzen“, Épicentre, dem Institut Guttmacher und Ipas in Zusammenarbeit mit den nigerianischen und zentralafrikanischen Gesundheitsministerien durchgeführt wurde, zeigt, dass schwere Komplikationen in den beiden untersuchten Überweisungskrankenhäusern fünf- bis siebenmal häufiger auftraten als in afrikanischen Krankenhäusern in einem stabileren Umfeld, die von der WHO mit einer ähnlichen Methodik untersucht wurden. (3) Mit 829 Todesfällen pro 100.000 Lebendgeburten hat die Zentralafrikanische Republik eine der höchsten Müttersterblichkeitsraten der Welt. (4) Eine vom zentralafrikanischen Gesundheitsministerium und dem Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen (UNFPA) durchgeführte Studie schätzt, dass fast jede vierte Todesursache bei Müttern auf unsichere Schwangerschaftsabbrüche zurückzuführen ist.(5)

Gynäkologin Dr. Parnian Parvanta von Ärzte ohne Grenzen.

Interview mit Dr. Parnian Parvanta, Gynäkologin und Vorstandsvorsitzende von „Ärzte ohne Grenzen Deutschland“

Frau Dr. Parvanta, Sie waren selbst als Gynäkologin schon für „Ärzte ohne Grenzen“ in Afrika im Einsatz, unter anderem in Nigeria. Die aktuelle Studie untersuchte zwei Krankenhäuser, eines in der Zentralafrikanischen Republik, eines in Nigeria. Hier sind die Komplikationen durch unsichere Schwangerschaftsabbrüche deutlich höher als in stabileren Umfeldern. Nigeria leidet unter einer nicht enden wollenden Mangelernährungskrise und Infektionswellen. Wie können die Themen Geburtenkontrolle und sicherer Schwangerschaftsabbruch hier überhaupt Gehör finden?

Als humanitäre Nothilfeorganisation arbeiten wir oft in Kontexten, in denen unsere Patient:innen vielfachen Risiken wie Mangelernährung, Armut, erhöhter sexualisierter und geschlechtsspezifischer Gewalt, ungenügenden Gesundheitssystemen oder gezielten Angriffen auf Gesundheitseinrichtungen ausgesetzt sind. Eines der Krankenhäuser, auf das sich unsere Studie konzentriert, liegt in Jigawa, einem ländlichen Bundesstaat in Nigeria, in dem 87 % der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze leben. Leider wird dieser Aspekt der Gesundheit jedoch häufig vernachlässigt, es fehlt an finanziellen Mitteln und Schwangerschaftsabbrüche werden oft tabuisiert. Immerhin ist das Bewusstsein für die Notwendigkeit von sicheren Schwangerschaftsabbrüchen in den vergangenen Jahren gestiegen, und auch das Bewusstsein dafür, dass der Zugang zu Verhütung und sicheren Abbrüchen essenziell ist, um Müttersterblichkeit zu reduzieren.

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