Praxistipp
Gyn-Depesche 3/2020
Nur so weit entkleiden lassen, wie nötig
Nicht zuletzt aufgrund der „Me too“-Debatte hat sich die Wahrnehmungsschwelle für sexuelle Belästigung verändert. Was bedeutet das für die körperliche Untersuchung in der Praxis?
Körperliche Untersuchungen empfinden viele Patientinnen als unangenehmen Eingriff in ihre Intimsphäre. Dies gilt umso mehr, wenn sie über die medizinische Notwendigkeit und die Vorgehensweise nicht ausreichend informiert sind oder sich weiter entkleiden müssen, als unbedingt notwendig ist. Bei einer Befragung von 30 jungen Ärzten in Großbritannien stellte sich heraus, dass die klinische Routine allerdings zugunsten der Privatsphäre oft von den im Studium gelehrten Vorgaben abweicht. Nichtsdestotrotz mehrten sich beim britischen General Medical Council in den letzten Jahren Beschwerden über zweideutig erscheinende Examinationen, unnötiges Entkleiden oder Tastuntersuchungen ohne das Einverständnis der Patientin. Die Autoren halten es daher für notwendig, der in der Gesellschaft gestiegenen Sensibilisierung für sexuelle Belästigung bei derartigen Untersuchungen Rechnung zu tragen. Auch das Hinzubitten einer neutralen Person, beispielsweise einer Praxishilfe, kann eventuelle Bedenken der Patientin mindern. CW
Quelle: Lee A et al.: ‘Nipples to knees’ in the ‘Me Too’ era. Clinical Medicine 2020; 20: 235-6. doi: 10.7861/clinmed. 2019-0484